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Zerstörung alter und Durchsetzung neuer Produktionsformen gab es immer in der Geschichte: Wenn deren Ergebnis mehr Menschen das (Über-)Leben ermöglichte oder wenigstens gleichvielen ein besseres, war das durchaus nichts Negatives. Aber die „Modernisierung“, deren Beginn in unseren Geschichtsbüchern als „Zeitalter der Entdeckungen“ beschrieben wird, hatte und hat ein ganz anderes Ergebnis: Anfangs im Namen Gottes, später ganz ungeniert als Imperialismus betrieben, fegte sie mit Feuer und Kapital über die Länder dieser Erde. Sie erfand den Glauben an den „Fortschritt“ beraubte die Mehrzahl der Menschen jeder eigenen Lebensperspektive und unterwarf sie einem einzigen zentralen Wirtschaftsmodell. Der Glaube an den Fortschritt verdrängte jedweden Glauben an Gottheiten, vor allem aber den Glauben an Menschen und Menschlichkeit.

Im Sinne des neuen Glaubens sind „Fortschritt“ und „Entwicklung“ zu positiv belegten Wertevorurteilen geworden. Übersetzt heißt „Fortschritt“ indessen heute: Beherrschen der modernsten Zentralisierungstechnologien, die allein dem riesenhaft angehäuften Kapital weitere monopolistische Möglichkeiten zur Akkumulation garantieren. Dezentralisierung oder gar Kreislaufprozesse passen nicht ins Konzept der Banken und Konzerne.

Die ZentralisiererInnen sind es, die den „Fortschritt“ machen: Den ersten AKW-GAU, den es statistisch eigentlich nicht geben durfte, haben wir aus der Ferne alle miterlebt. Die Atomenergie hat den Menschen durchaus und drastisch ihre Grenzen aufgezeigt. Der Glaube aber versetzt Berge, vor allem wenn er durch Macht und Mehrmacht bzw. Wert und Mehrwert greifbare Wirklichkeit wird. Und so versetzen sie Berge und Täler und hinterlassen Mondlandschaften und Giftwüsten, produzieren sie massenhaft radioaktive Stoffe und wissen nicht, wohin mit dem Gift.

Mit der Gentechnik überschreiten sie neue Grenzen. Sie greifen mitten ins Leben, ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben, was die vielen Genbomben an Unheil anrichten können. Natürlich geht es den daran beteiligten Weißkitteln und den PolitikantInnen aller Couleur nur um das Wohl ihrer lieben Mitmenschen. Dabei erwiesen sich ihre Versprechungen als leeres Geschwätz, als Propaganda zur Durchsetzung der gefährlichen neuen Technologie. Kein gentechnisch erzeugtes Medikament hat bisher die Heilungschancen Kranker verbessert, dafür aber verdrängen bereits jetzt gentechnisch hergestellte „Lebensmittel“ oder Zusätze Bauern und Bäuerinnen von ihrem Arbeitsplatz.

Trotzdem sollen wir darauf vertrauen, daß es uns zukünftig besser gehe, wenn …, ja wenn wir bereit sind, daran zu glauben, daß alles, aber auch wirklich alles zur Ware werden kann. Wert hat nur noch, was käuflich und verkäuflich ist. Bis vor hundert Jahren noch konnte man en gros ganze Menschen als SklavInnen kaufen, heute kauft und verkauft man Leber, Nieren, Gliedmaßen, Blut, Föten, Babys, Sperma, demnächst Gene … nachdem die technologische „Entwicklung“ diesen Markt ermöglicht hat.

Andere spielen bereits mit dem Gedanken, via Genmanipulationen Kranke, Schwule/Lesben, Kriminelle, Asoziale und Arme zu „heilen“ oder deren Reproduktion zu verhindern. Eine solche Tendenz könnte man als Bio-Rassismus bezeichnen. Für die Großen im Biotech-Geschäft geht’s noch um andere Dimensionen: um die Kontrolle der Produktion durch gentechnisch entwickeltes Saatgut, um die Entwicklung neuer Lebensmittelmärkte, auf denen Stoffe angeboten werden, die nur noch in Geschmack und Aussehen etwas mit den bisher bekannten Lebensmitteln zu tun haben, die ansonsten in zergliederten Prozessen isoliert und, speziell sortiert, wieder zusammengefügt werden. „Entwicklung und Fortschritt“! Schon der angebotene Fraß von heute kann vielfach nicht mehr als Lebensmittel, als Mittel für unser Leben also, bezeichnet werden, vielmehr sind das Energiepakete, die dem menschlichen und tierischen Körper so zuträglich  sind wie Kaugummi mit Fett und Zucker. Wie wird das in naher Zukunft aussehen? Der Gedanke daran ist nur noch ekelhaft! Vermiesen wir den neuen, alten Machern (und einigen wenigen Macherinnen) doch das Geschäft mit dem dubiosen „Fortschritt“ und den schauderhaften Genoperationen!