Flexibilisierung – dieses Unwort bedrängt uns derzeit aus allen Kanälen und fast allen Gazetten. Gemeint ist damit, daß alle LohnarbeiterInnen zu jeder Tageszeit für jedwede Arbeit verfügbar sein mögen und ohne Murren auf (bezahlte) Lohnarbeit verzichten sollen, wenn es diese vorübergehend nicht gibt. Übersetzt heißt das Modewort „Biegsamkeit“, und diese Lesart trifft den Kern der Sache: möglichst freiraumlose Anpassung an die moderne Industrieentwicklung, vor allem aber an die schier unersättlich gewordenen Profitbedürfnisse des Kapitals. Der Profit kommt aus einer möglichst intensiven und möglichst langen Tagesnutzung der Arbeitskraft zu möglichst niedrigem Lohn, nirgendwoher sonst.
Wenn es um die Flexibilisierung in diesem Sinne geht, sind die Unternehmer seit eh und je sehr erfindungsreich und höchst flexibel. Über die diversen Regierungen kungeln sie die notwendigen politischen und administrativen Rahmenbedingungen aus, damit Flexi, das neue Arbeitsmodell, legal auftreten kann, und los geht’s!
In Mexico, El Salvador oder Ungarn servieren die „Volksvertreter“ den internationalen (sehr flexiblen) Kapitalien den Boden, die Fabrikhallen und die Infrastruktur auf silbernem Tablett, damit die Unternehmen dort ein paar Maschinen hinstellen, an denen MexicanerInnen, SalvadorianerInnen usw. – auf jeden Fall überwiegend Frauen – arbeiten dürfen. Und weil alles so billig ist, müssen die ArbeiterInnen sich mit einem Minimallohn begnügen, schließlich verlangen „ihre“ Regierungen meist auch keine Steuern von den Investoren, oder sie erlauben ihnen Steuerumgehung auf allerlei Schleichwegen.
Natürlich bleibt außer den kärglichen Löhnen zunächst nichts im jeweiligen Land. Man kann das ja auch nicht erwarten in so schwierigen Zeiten! Bald wird’s ja besser, ganz bestimmt!
Die Arbeiten, die etwa MexicanerInnen in jenen Fabriken (Maquiladoras) an der US-Grenze verrichten dürfen, haben vor kurzer Zeit noch KollegInnen in den USA, in Japan oder in Europa geleistet – zu miesen, dennoch etwas höheren Löhnen, für die sie gewöhnlich jahrelang hatten kämpfen müssen.
Beinahe als erste Aktivität neben der Maloche gibt es denn auch Arbeitskämpfe in den Maquilas, die von den Unternehmen mit den bekannten Methoden wie Einschüchterungen der Belegschaften und Entlassung aktiver KollegInnen und neuen, ganz flexiblen Antworten – wie die Übernachtverlagerung der Maschinen und die Eröffnung des Betriebs an einem anderen Ort – beantwortet werden.
Flexibilisierung bedeutet demnach für die MalocherInnen auch den Zwang, Streiks, Organisation, Kampf und Zusammenhalt zu erlernen. Wie einige Beispiele aus diesem Schwerpunkt zeigen, sind es dabei oft die sexuellen Belästigungen und Übergriffe der Chefs, die die Arbeiterinnen wütend machen und sie zum Widerstand mobilisieren.
„Es gibt für alles eine Lösung“, meint ein deutscher Autokonzern. Ausnahmsweise können wir dem „guten Stern“ an dieser Stelle zustimmen, allerdings muß die Lösung erst gefunden werden, und das ist mehr als nur ein technisches Problem.
Die Mittelamerika-Solidaritätsbewegung scheint sich nach den monatelangen, weitgehend fruchtlosen und letztlich uninteressanten Diskussionen über die Spaltungen der ehemaligen Befreiungsbewegungen und die Einschätzungen der jeweiligen Spaltprodukte in jüngster Zeit wieder allenthalben mit sinnvolleren Dingen zu beschäftigen. Dazu sollte neben der Unterstützung der Landkämpfe auf jeden Fall auch die Solidarität mit den Kämpfen der Maquiladora-ArbeiterInnen für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen gehören. Erste Initiativen in diese Richtung gibt es. Damit sich daraus so etwas wie eine Kampagne und langfristige Arbeit entwickelt, bedarf es der Suche nach BündnispartnerInnen und einer breiteren Diskussion über Inhalte und Ziele einer solchen Arbeit. Wir hoffen, daß diese Nummer dazu hilfreich sein kann.