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Guatemala

Nachdem die militärische Phase der Kriege in Nicaragua und El Salvador beendet ist, scheint nun auch in Guatemala der mittelamerikanische Friedensprozeß seiner Vollendung entgegen zu gehen – mit zweifelhaften Ergebnissen, befürchten wir. Zwar sind die letzten Abkommen noch nicht ausgehandelt, es ist aber doch recht wahrscheinlich, daß noch in diesem Jahr der letzte und älteste der „klassischen“ mittelamerikanischen bewaffneten Konflikte sein Ende finden wird.

Zumeist stand der revolutionäre Prozeß in Guatemala hinter den weit mehr Aufmerksamkeit erzeugenden und (jedenfalls kurzfristig) erfolgreicheren Bewegungen in Nicaragua und El Salvador zurück. Trotzdem nährte er vor allem Anfang der 80er Jahre die Hoffnungen vieler GuatemaltekInnen nach dauerhaften und grundsätzlichen Veränderungen in ihrem Land.

Diese Hoffnungen wurden buchstäblich in Blut erstickt. Die Herrschenden in Guatemala durften dabei voll auf den großen Fundus des US-Pentagon aus dessen Erfahrungen bei der Mißhandlung der Volksbewegungen in Vietnam, Kampuchea, Nicaragua, El Salvador, Chile, Argentinien… zurückgreifen (wobei im Falle Guatemalas auch BeraterInnen aus Israel und Taiwan ihr „Know How“ einbrachten). In diesem Sinne startete das guatemaltekische Militär Anfang der achtziger Jahre zunächst mit einer „Politik der verbrannten Erde“. Mit Massakern und unvorstellbarer Gewalt wurde die soziale Basis der Guerilla angegriffen. Zehntausende wurden ermordet, Hunderttausende zur Flucht innerhalb und außerhalb Guatemalas gezwungen. Ab Mitter der achtziger Jahre wurde diese Politik, für die der Name des Diktators Ríos Montt steht, durch einen „Krieg niedriger Intensität“ ersetzt. Die Repression wurde gezielter und selektiver und richtete sich bevorzugt gegen AktivistInnen der Volksbewegung, für die es nach wie vor so gut wie kein Pardon gab, wenn sie in die Hände ihrer Häscher fielen. Erst die Sense, dann die Sichel, dann verhandeln! So die Strategie von Guatemalas Machthabern.

Nach dem Ende der Hoffnungen vieler Menschen auf eine revolutionäre Neuerung bleibt derzeit nur, das Ergebnis aus dem politischen Dialog der 90er Jahre zwischen URNG und den herrschenden Eliten in Regierung und Militär abzuwarten. Zwei entscheidende Fragen stehen dabei im Raum: Ist die URNG stark genug, um auf dem Verhandlungsweg eine gerechtere Umgestaltung der guatemaltekischen Gesellschaft einzuleiten, oder kann sie nur noch auf die Taktik des „Retten, was zu retten ist“ setzen?

Es muß in Erinnerung gerufen werden, daß bereits der 1985 eingeleitete „Übergang zur Demokratie“ im Rahmen der bis heute gültigen Aufstandsbekämpfungsdoktrin des Militärs erfolgte. Auch heute ist es wieder das Militär, das die neuerliche Übergangsphase in die „Nachkriegszeit“ als einzige Institution in Guatemala strategisch plant, um seine Machtposition im Staat zu sichern.

Die verzweifelte Suche nach einem neuen politischen Hoffnungsträger konzentriert sich zur Zeit auf eine schwer zu definierende „Zivilgesellschaft“. So versuchen denn auch die in der „Versammlung der Zivilgesellschaft“ (ASC) vertetenen zivilen Sektoren, ihre Vorstellungen von einem demokratischen Guatemala aufeinander abzustimmen und in den Verhandlungsprozeß einzubringen. Es darf allerdings angezweifelt werden, ob ein politisches System, in welchem ein Schlächter wie Ríos Montt als Politiker zum Kongreßpräsidenten gewählt werden kann, überhaupt Freiräume zur Herausbildung linker politischer Alternativen zuläßt. Ganz zu schweigen von wirklichen sozialen Verbesserungen – die ja bekanntlich Geld kosten, das nur die Reichen in Guatemala und die Multis haben. (Es wird gemunkelt, die würden freiwillig auch nicht einen Cent abgeben.)

P.S. Diese Ausgabe der ila wurde in Zusammenarbeit mit der Informationsstelle Guatemala e.V. erstellt. Sie geht neben den AbonnentInnen der ila auch den BezieherInnen des Guatemala-Infos zu.

Schwerpunkt

4  Tine Klein
Außer Spesen nichts gewesen?
Der Verlauf der Friedensverhandlungen enttäuscht alle, die auf politische Veränderungen hoffen

8  Infostelle Guatemala
Im Schatten des Schlächters Ríos Montt
Bei den kommenden Wahlen kann die demokratische Opposition nur Schlimmeres verhüten

11  Edgar Gutiérrez
SIE weiß das „Archiv“ zu nutzen
Der Aufbau eines neuen militärischen Geheimdienstes

13  Hans Koberstein
Guategate
Skandal um CIA und die von ihm bezahlten Mörder in Uniform

16  Herby Sachs
Die Tochter des Puma
Film über die Geschichte einer guatemaltekischen Indígena

17  Armando Maldonado C.
Schwieriger Übergang in vermintem Szenario
Anmerkungen zur politisch-wirtschaftlichen Situation

20  Laura M. Velásquez
Die Komplizen der Macht
Interview mit Julio C. Cambranes über die Deutschen in Guatemala

24  Frank Garbers
Durch Landbesetzungen den Dialog erzwingen
Interview mit Juan Tiney von der Bauern- und Indígena-Organisation CONIC

26  Frank Garbers
Die Kooperative Ixcán Grande
Ein Rückkehrgebiet zwischen erfolgreicher Vergangenheit und ungewisser Zukunft

30  Werner Lamottke
CAREA – Flüchtlingsbegleitung
Ein Projekt der Guatemala-Solidaritätsbewegung

32  Yogi Weißhaar
Lebendiges Wissen oder folkoristische Verzerrung?
Die Verwendung des Begriffs der Mayakosmovision

35  Meike Heckt
Interkulturelle Erziehung als Perspektive
Kommt es zu einer Erziehungsreform, die die Interessen der Indígena berücksichtigt?

Berichte & Hintergründe

38  Ernesto Kroch
Ein Modell für wen?
Reisebilder aus Chile

42  Viktor Sukup
Vom Wirtschaftswunder zu reden ist absurd…
Interview mit Francisco Herredros, Direktor der Zeitschrift „Pluma y Pincel“ aus Chile

44  Christian Caspar
Lieber illegal arbeiten als legal hungern
NicaraguanerInnen in Costa Rica

46  Elke Löbel
Die Haldenfrauen von Llallagua
Postmoderner Zinnabbau in Bolivien

48  Elke Löbel
„Für eine Witwe sind die Türen geschlossen“
Zeugnis der „palliri“ Emiliana Rojas

49  Eduard Fritsch
Versöhnung oder Verhöhnung?
Aufbau El Salvador: Wiederherstellung des Status Quo

Ländernachrichten

52  Haiti, El Salvador, Argentinien, Uruguay

Kulturszene

54  Gaby Küppers
AIDS als Metapher
Interview mit dem brasilianischen Autor Caio Fernando Abreu

57  Michael Köhler
Die mögliche Insel
Ein un-mögliches Cubaprojekt in Barcelona

Aus-Sprache

59  AusSprache: Zé do Rock

60  Zé do Rock
di sprache Brasiliens

Solidaritätsbewegung

62  Ulrike Bartels
Wenn eine(r) eine Reise tut
BUKO ’95: Entwicklungsman(n)ie – Partriarchat und Solidaritätsbewegung

63  Martin Wolpold
Strukturanpassung verletzt Menschenrechte
FIAN-Studie über Agrarmodernisierung in Honduras

65  Notizen aus der Bewegung

67  Termine, Zeitschriftenschau, Impressum

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