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War es zu Jahresbeginn der Grenzkrieg mit Peru, so ist es nun der Korruptionsskandal um den ecuadorianischen Vizepräsidenten und dessen überhastete Flucht nach Costa Rica – im Privatjet versteht sich –, der Ecuador in der deutschen Medienlandschaft eine gewisse, aber kurzfristige Aufmerksamkeit sichert. Doch nicht nur in den großen Medien, auch in der Solibewegung kommt der Anden- und Amazonasstaat kaum vor – die ila ist hiervon nicht ausgenommen. Um diesem Defizit ein wenig abzuhelfen, legen wir nun einen Ecuador-Schwerpunkt vor. Freilich nur eine erste Annäherung, denn wir verfügen dorthin nach wie vor nicht über so entwickelte Kontakte wie zu anderen Regionen Lateinamerikas.

Ecuador, die „Insel des Friedens“ – so der letzte Präsident Rodrigo Borga –, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung derzeit eher als ein von politischen Krisen und sozialen Unruhen geschütteltes Land. Zweifellos war der gegen Peru geführte Krieg daher auch ein Ablenkungsmanöver, um die wachsende Unzufriedenheit mit den Machenschaften der gegenwärtigen, konservativen Regierung von Sixto Durán Ballén in eine Welle patriotischer Begeisterung zu kanalisieren. Deutlich zeigte sich dies an den Ereignissen der letzten Wochen: Die Korruptionsvorwürfe gegen Vizepräsident Alberto Dahik spitzten sich derart zu, daß das Parlament einen politischen Prozeß gegen den Zweiten des Landes einleiten mußte. Das Ergebnis einer 15stündigen Marathonsitzung des Parlaments war jedoch nicht die erwartete Absetzung; dazu fehlte die nötige Zweidrittel-Mehrheit. Dabei ging es letztlich nicht um Schuld oder Unschuld des Vize in Sachen „Bestechung und Veruntreuung von geheimen Staatsgeldern“, sondern angesichts der Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr darum, dem Kandidaten der Christlich-Sozialen Oppositionspartei (PSC) und ehemaligen Präsidenten León Febres Cordero nicht die Lorbeeren zuzuschieben.

Doch der öffentliche Druck – die Gewerkschaften drohten mit Generalstreik –, vor allem jedoch der Druck, der von seiten der Armee auf die Führungsriege ausgeübt wurde – sie soll angeblich mit einem Putsch gedroht haben – sowie die eindeutigen Beweise, die gegen Dahik vorlagen, haben letztlich seinen Rücktritt, den vom Obersten Gerichtshof erlassenen Haftbefehl und am Ende seine Flucht bewirkt. Als Kettenreaktion folgte eine Kabinettskrise mit Rücktritten des Innen- und Industrieministers. Letzterer forderte gar den Rücktritt des gesamten Kabinetts mit dem Ziel der Regierungsneubildung.

Nur soviel zu den politischen Intrigen der Führungselite. Denn die Hauptrolle in diesem Schwerpunkt sollen die seit jeher Unterprivilegierten spielen. Gemeint sind die indigenen Völker Ecuadors, die stets ausgegrnzte und bevormundete ländliche Bevölkerung und nicht zuletzt – auch wenn es die letzten beiden Beiträge sind – die AfroecuadorianerInnen.

Ein weiteres Thema in gleich drei Beiträgen ist die ökologische Zerstörung des Landes, vor allem als Folge des Ab- bzw. Anbaus seiner drei wichtigsten Exportprodukte Bananen, Erdöl und Garnelen.

Während sich ecuadorianische Rohstoffe, vor allem Bananen, in der Bundesrepublik großer Beliebtheit erfreuen, sind ecuadorianische Menschen – zumindest bei den Staatsorganen – äußerst unbeliebt. Am 22. Oktober drang während einer Salsafete ein Polizeikommando in eine Bonner Diskothek ein, unterzog die Anwesenden – überwiegend ecuadorianische Frauen – einer entwürdigenden und sexistischen Untersuchung und verfrachtete 21 Ecuadorianerinnen noch in der gleichen Nacht in verschiedene nordrhein-westfälische Abschiebeknäste. Auch darüber berichten wir in der Rubrik „Berichte und Hintergründe“ dieser Ausgabe.

P.S. Außerdem haben wir eine Veränderung anzuzeigen. Die Sparte Ländernachrichten, von zwei auf vier Seiten erhöht, enthält ab sofort eine Auswahl aus dem deutschsprachigen Dienst von POONAL, einem Zusammenschluß alternativer lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen. POONAL erschien bis Ende September in deutscher Sprache mit einem 8-12-seitigen Wochendienst und mußte dann aus finanziellen Gründen eingestellt werden. Seitdem ist der deutsche Dienst von POONAL nur noch über E-Mail zu beziehen. Die bisherigen POONAL-BezieherInnen, die ihr Abo nicht auf E-Mail umstellen wollten bzw. konnten, erhalten bis zum Ablauf ihres POONAL-Abos die ila. Wir begrüßen sie als neue LeserInnen und wünschen uns natürlich, daß ihnen die ila gefällt und sie uns auch nach Auslaufen ihres POONAL-Abos weiterlesen.