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Das fragwürdige christlich-abendländische „Macht Euch die Erde untertan“ ist in Lateinamerika und anderen Kolonien als Unterwerfung von Mensch und Natur praktiziert worden – Unterwerfung im unmittelbaren, mörderischen Sinn des Wortes und als globale Unterordnung unter das Prinzip des Privateigentums an den Produktionsbedingungen.

Seit aber klar geworden ist, daß sich das Klima weder mit einem Schengen-Abkommen ausschließen noch mit einer „Green Card“ herbeiführen läßt, gehen Angst und Sorge um in den Industriemetropolen. Sie finden ihren Niederschlag in der detailverliebten Berichterstattung über die Havarien jener christlich-abendländischen Mischungen von Größenwahn, economy of scales, Versicherungsbetrug und Trunkenheit am Ruder, die der Reihe nach „Amoco Cadiz“, „Exxon Valdez“, „Braer“ und „Sea Empress“ geheißen haben. Exempel dafür, wie die Erde sich allemal noch der Menschen Werk untertan macht, z. B. durch Untertauchen.

Die laufende Verschmutzung tropischer Meere und Landflächen durch die Erdölkonzerne – um bei diesem Beispiel zu bleiben – findet demgegenüber allenfalls Beachtung, wenn so etwas wie die Brent-Spar-Erfolgsstory nach einer Fortsetzung ruft oder ein profilierter Kritiker dieser Konzernpraktiken wie Ken Saro-Wiwa feige ermordet wird.

Weil Umwelt und Umweltschutz auf den „aufstrebenden Märkten“, von denen einige sich auch in Lateinamerika befinden sollen, keine Rolle spielen, andernfalls sie eben nicht aufstrebend wären in den Bilanzen der multinationalen Gewinnabschöpfer und Coupon-Schneider, widmet sich der Schwerpukt dieses Heftes einmal mehr diesen Themen. Dies sollen keine Beiträge dazu sein, Angst und Sorgen wegen der zunehmenden globalen Umweltzerstörung weiter zu schüren, um auf diesem, wie uns scheint recht aussichtslosen Wege zum Widerstand anzuregen. Es geht um Informationen und Meinungen zur Erhellung der Frage, wie Umweltprobleme in Lateinamerika entstehen und was dortselbst dagegen unternommen wird.

Vorab erlauben wir uns einen Blick hinter die wahrlich dramatischen Kulissen des lateinamerikanischen Umwelttheaters: Da sind die Mega-Metropolen, wahre Horrorszenarien der Umweltverschmutzung, die bundesdeutsche Firmen in der ihnen eigenen Art, mit Problemen umzugehen, dazu veranlassen, ihren MitarbeiterInnen z. B. in Mexico-Stadt „Umweltverschmutzungszulagen“ zu bezahlen. Vordergründig ist die extreme Verstädterung vieler lateinamerikanischer Länder daran schuld. Die kommt von der Landflucht, und die wiederum hat mit der extrem ungleichen Besitzverteilung auf dem Land zu tun, mit dem altertümlichen Problem des Bodeneigentums. Wir dürfen also amüsiert Gottes verschlungene Pfade bewundern, die dazu geführt haben, daß der Nachfahre des Welser-Angestellten, der im Dienste seines Augsburger Handelsherren manch Säckle Gold aus Venezuela in die schwäbische (heute bayrische) Heimat brachte, im Dienste eines Münchner Elektro-Multis unter der Verstädterung Mexicos leidet.

Weil die Kreaturen der Augsburger Handelsherren nicht nur christlich-abendländisch geprägt waren, sondern sich auch an jenen Abschnitt in den Römer-Briefen des (Hl.) Paulus hielten, der den Widerstand gegen die Macht als Widerstand gegen Gott brandmarkt (Römer 13:1,2), haben sie in all den Jahrhunderten danach am Prinzip des Privateigentums an den Produktionsmitteln – einschließlich der natürlichen – festgehalten, jegliche historisch korrigierende Agrarreform mit der gewohnten Methode von Feuer und Schwert vereitelt und mithin via Kolonisierung von Urwald für Brandrodung (Feuer) und Vernichtung von nicht privateigentümlerischen „UreinwohnerInnen“ (Schwert) gesorgt. Ihre nach wie vor intakten Vordenker, Vorsprecher, Vormacher und Vorgesetzten in den Metropolen tun ein übriges mit Tropenholzausplünderung, Viehwirtschaft und einer Sorte von Bergbau, die in der Fachsprache der Bergbauingenieure Raubbau = möglichst viel möglichst schnell rausholen heißt.

Aus dem ideologischen Konstrukt, wonach der „Indianer“ recht eigentlich kein Mensch ist, ist mittlerweile jenes geworden, wonach die „Bevölkerungsexplosion“ in der „Dritten Welt“ Schuld daran ist, daß es in unserem „global village“ allmählich ungemütlich wird.

Wir danken besonders Wolfram Klein aus Freiburg, dessen Initiative und Unterstützung wir diesen Schwerpunkt maßgeblich verdanken.

P.S. Wie im Dezemberheft angekündigt, werden die Schwerpunkte ab dieser Ausgabe im Umfang reduziert sein, damit wir mehr Raum für aktuelle, hintergründige, wichtige oder aus dem Rahmen fallende Beiträge haben.