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„Reif für die Insel, reif von der Insel» – Fair gehandelter Kaffee und andere Produkte reifen nach Meinung der meisten unserer Autoren auf Inseln für andere Inseln. Es sind Inseln mitten im großen Meer des kapitalistischen Weltmarktes…

Nicht wenige Menschen in den reichen Ländern gestalten ihr Konsumverhalten auch nach außerökonomischen Kriterien: Sie zahlen höhere Preise für heimische Waren oder für ökologisch hergestellte Produkte oder eben auch für Artikel, deren Aufpreis ihren armen ProduzentInnen zugute kommt. Mit ihren ethisch motivierten Kaufentscheidungen bilden sie einen Teil des Marktes, ein Segment, das anders anzusprechen und zu gewinnen ist als der Rest, das aber doch so wie alle am selben Marktgeschehen teilnimmt – dies ist eine der Inseln, die „KonsumentInnen-Insel».

Der ethische Markt wird beliefert von einer weiteren Insel, der „HändlerInnen-Insel», deren Konturen sich allerdings zunehmend im Weltmeer auflösen: Die größte deutsche Handelsmarken-Kaffeerösterei hält mittlerweile auch den größten Anteil am „alternativen» Kaffeemarkt.

Am Anfang der Handelskette befinden sich die „ProduzentInnen-Inseln» – nicht gerade Inseln der Seligen, aber ein höheres Einkommen als ihre NachbarInnen erzielen sie doch, obwohl sie unter den gleichen Bedingungen produzieren (müssen) wie diese.

So wie weiland ein großer Chinese die Städte von den Dörfern her umzingeln wollte, wird heute allenthalben versucht, das Meer von diesen Inseln aus zu erobern. Aber das seinerseits wehrt sich und behauptet, im Kapitalismus im allgemeinen und auf dem ebensolchen Weltmarkt im besonderen gäbe es gar keine Inseln. Und wenn doch, dann höchstens Wohlstandsinseln für die Profiteure; alle aber hätten den Gesetzen von Wind und Wellen zu folgen. Geschichtliche Subjekte, Selbstbestimmung und Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen seien Trugbilder, die nirgendwohin führen, schon gar nicht zu einem sicheren Standort.

Auch unser Standpunkt in der Diskussion um alternativen Handel, um Produktsiegel und Präferenzbedingungen, um (Verbots)Normen und Strafmaßnahmen ist nicht so eindeutig und ungebrochen, wie es in manchen Artikeln des Heftes scheinen könnte. So verkauft die ila trotz aller Kritik am alternativen Kaffeemarkt weiterhin Kaffee aus Nicaragua und El Salvador, und einige der KritikerInnen tun sich beim „alternativen» Konsum besonders hervor.

Natürlich gibt es im „Fair»-Handelsbereich Entwicklungen, die keinesfalls akzeptabel sind: Daß oft ein größerer Teil des Aufpreises den großen Handelsunternehmen zufließt als den ProduzentInnen, ist eine davon. Aber es gibt auch engagierte Menschen und (Laden)Gruppen, die genauso wie wir und andere ihren Beitrag dazu leisten wollen, daß weltweit gerechtere Lebensverhältnisse durchgesetzt werden können. Wir glauben nicht, daß Zeitungsarbeit von vonherein die bessere, erfolgreichere oder „ethischere» Form dieses Beitrages ist. Auch die ila ist nur eine kleine Insel im Meer der Meinungsmache.

Es ist eine unselige Tradition der linken und Alternativbewegung, die härteste und beißendste Kritik gegen die Nächststehenden zu richten. Wir hoffen, daß der Schwerpunkt dieses Heftes nicht als deren Fortsetzung verstanden wird. Wir möchten vielmehr Anstöße dazu geben, Erfolge und Widersprüche eines wichtigen Teils der Solibewegung zu reflektieren und gemeinsam zu diskutieren. Damit vielleicht doch das Meer von den Inseln aus erobert werden wird.