Die besten Jahre längst hinter sich, flaniert ein glatzköpfiger rundlicher deutscher Mann schwitzend über den sommerlichen Kudamm, eine ebenso junge wie hübsche Asiatin (oder ist’s eine Latina?) wie eine Trophäe an der Hand führend – binationale Beziehung Typ kommerziell. Blonde Enddreißigerin verbringt heißen Karibikurlaub mit knackigem Rastaman – binationale Beziehung Typ versteckt kommerziell. Entwicklungshelfer bringt eine schwarze Frau mit nach Deutschland. Die Frau hat nichts als den Mann (und dessen Liebe?); aufgrund massivster kultureller Schranken erlebt sie einen unheilbaren Kulturschock in der Fremde – binationale Beziehung Typ Horror I. Ausländischer Mann (möglichst arabischer Herkunft) entführt gemeinsames Kind, weil deutsche Mutter wegen der Frauenunterdrückung nicht im Heimatland des Mannes leben will – binationale Beziehung Typ Horror II.
Derartige Beispiele werden – auch von progressiv denkenden Menschen – immer wieder als erstes angeführt, wenn von binationalen Beziehungen die Rede ist. Daß über 90% aller binationalen Paare in erster Linie mit den gleichen Höhen und Tiefen einer normalen Beziehung zu kämpfen haben und daß diese Partnerschaften genauso stabil oder instabil sind wie andere Beziehungen auch, paßt nicht ins Bild derer, die die Kampfschrift „Nicht ohne meine Tochter“ der evangelikalen Fundamentalisten Betty Mahmoudy als Standardwerk über binationale Beziehungen begreifen.
Die ständig wachsende Mobilität bringt die Menschen zusammen. Zehn Prozent aller Eheschließungen in Deutschland sind heute schon binational. In der Solidaritätsbewegung und unter den ila-LeserInnen dürfte der Anteil noch höher liegen. Wenn immer mehr Menschen Kontakte mit fremden Ländern und Kontinenten aufnehmen, bleiben offensichtlich und erfreulicherweise auch die Liebesbeziehungen nicht aus. Grund genug, uns einmal etwas ausführlicher mit dem Thema „Binationale Partnerschaft“ auseinanderzusetzen. Bei der Arbeit merkten wir schnell, daß binationale Beziehungen – jenseits aller Klischees s.o. – sehr wohl Unterschiede zu „Binnenbeziehungen“ ausweisen. Neben der Freude an einer Beziehung mit dem oder mit der Fremden birgt die Herkunft aus unterschiedlichen Kulturen doch einiges an seelischem und sozialem Zündstoff. Die Verstärkung der Attraktion durch das Nichterkennen unangenehmer Seiten (neben den wirklich anziehenden) bei einem Partner oder einer Partnerin aus einer anderen Kultur ist zweifellos wunderschön, aber die Erkenntnis ist letztendlich doch nicht aufhaltbar, und dann entstehen die Krisen wie in uninationalen Beziehungen auch. Und die Kinder? Wie finden sie in der Binationalität ihre Identität? Zumindest Teile davon müssen sie ja von ihren Eltern übernehmen. Wie aber, wenn elterliche Identität und Normen mit der vom Kind erfahrenen Umwelt nicht zusammenpassen?
Und weil die Nationalstaaten der Mobilität der Individuen (im Gegensatz zu der von Waren und Dienstleistungen) Schranken und Grenzen zu setzen pflegen, wird die rechtliche Situation in binationalen Partnerschaften zu einer ganz und gar nicht unwesentlichen Hürde, die erst einmal überwunden werden muß. Nicht umsonst sind auch in der BRD einschlägige Organisationen wie etwa der Verband für Binationale Partnerschaften und Familien (iaf) entstanden, die einiges erreicht haben. Trotz der rechtlichen Verbesserungen aber müssen binationale Paare häufig aber auch heute noch nach der Eheschließung unter Umständen mit indiskreten Kontrollen der Ausländerbehörden rechnen.
Doch wollen wir keineswegs nur die – z. B. juristischen – Schwierigkeiten binationaler Paare aufzeigen. Durch Interviews und persönliche Berichte von Leuten, die in binationalen Beziehungen leben bzw. Kinder binationaler Paare sind, wollen wir die vielfältigen und auch bereichernden Aspekte zeigen, die solchen Beziehungen innewohnen. Die persönlichen Berichte machen klar, daß sich beim Themea binationale Beziehungen kaum etwas verallgemeinern läßt und die einzelnen sehr unterschiedliche Vorteile, Schwierigkeiten und Probleme sehen.
Da sich der nächste ila-Schwerpunkt explizit dem Thema „Homosexualität“ widmet und auch auf homosexuelle binationale Paare eingehen wird, beschränken wir uns in dieser Nummer auf heterosexuelle Paare.