220

„Quadratisch, praktisch, gut“ käme vielleicht ein Handbuch zum Stand der Bewegung. Mag sein. Aber das entspricht nicht unserem Format (DIN A 4), aber noch weniger dem Objekt der Etüde. „Ende der 80er Jahre“, sagt die Brasilianerin Amelinha Teles in dieser Ausgabe und vergleicht mit der Lage heute, „war der Feminismus in sich noch geschlossener“ – „mais contundente“, sagt das portugiesische Original, was der entsprechende Wörterbucheintrag mit „quetschender“ übersetzt. In Definitionen quetschen läßt sich Feminismus in Lateinamerika heute keineswegs mehr. „Diversidad“, Vielfalt, hatten die Feministinnen bei ihren seit Beginn der 80er Jahre regelmäßig stattfindenden kontinentalen Treffen für die Bewegung eingefordert. Beliebigkeit halten ihr inzwischen Kritikerinnen vor, wie Birte Rodenberg in bezug auf Mexico anmerkt.

Daß die feministische Bewegung jenseits des Atlantiks mehr Power hat, ist fraglos eine Zuschreibung, die sich auch – aber nicht nur – aus dem Mythos des angeblich impulsiveren, leidenschaftlicheren, fröhlicheren Kontinents nährt. Um so erfrischender, daß Amelinha Teles bei ihrem Besuch deutscher Feministinnen neidisch auf die Vitalität der Bewegung hierzulande wurde. Projektionen allenthalben?

Wir versuchten einen Blick hinter die Leinwände. Und wollten gleich ans Eingemachte. Macht Feminismus heute noch Sinn, fragten wir Frauen aus verschiedenen Regionen des Kontinents und aus unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen. Und was ist heute der Unterschied zwischen Feminismus und Frauenbewegung? Hat die Genderitis die Bewegung zerstört? Überhaupt: ist die Bewegung am Ende – oder nur am Ende des 20. Jahrhunderts angelangt? Was sind ihre neuen Inhalte, wer ihre neuen Trägerinnen? (Und wie entgeht frau der leidigen Versuchung, doch wieder definieren zu wollen?)

Wir wollten aktuell, aber nicht geschichtslos sein. Daher haben auch zwei Interviews mit Zeitzeuginnen ihren Platz in dieser Ausgabe: eins zu Frauen in der brasilianischen 68er Bewegung, das andere mit einer der ersten Frauen in der kolumbianischen Guerillaorganisation ELN.

Der eigentliche Anlaß des Schwerpunkts rückte im Laufe seines Wachsens und Gedeihens immer weiter in den Hintergrund, weswegen er auch hier erst unter ferner liefen genannt wird: in genau einem Jahr, im November 1999, findet das nunmehr VIII. Feministinnentreffen Lateinamerikas und der Karibik statt. Ausgerichtet wird es dieses Mal in der Dominikanischen Republik. Der virtuelle Interviewtermin per E-Mail bei den Organisatorinnen platzte aufgrund des Hurrikans, der die Stromversorgung und damit den PC-Anschluß auf weiten Teilen der Insel schwer beeinträchtigte. Trotzdem vielen Dank an die in die Dominikanische Republik umgesiedelte schwarze Uruguayerin Chabela Camusso für ihre Interviewvorbereitungen. Und ebenso herzlichen Dank für Mitarbeit und Anregungen an Jael Bueno aus Bolivien, die heute in der Schweiz lebt und in der Migrantinnenselbstorganisation „NOSOTRAS – Wir Frauen“ unermüdlich aktiv ist.

P.S. Noch zwei Hinweise in eigener Sache:

Die ila hat sich jetzt auch ins Internet eingeklinkt. Noch etwas holprig und unvollständig – dafür wie immer aus eigenen Kräften erstellt –, aber wir sind dran und wollen unsere Präsenz auch in diesem Medium erweitern und verbessern. Unsere Adresse: www.ila-web.de. Besucht uns dort doch mal!

Unsere Finanzlage ist gelinde ausgedrückt prekär (Ausdruck aus der internationalen Wirtschaft, deutsch: beschissen). Wir haben daher wiedermal einen Bettelbrief beigelegt, der die LeserInnen auch in der nächsten Ausgabe noch verfolgen wird, und hoffen inständig auf zusätzliche Hilfe aller Art.