Die gute Nachricht zuerst: Julio Mendívil, Schriftsteller und Redakteur der ila-latina, ist frei! Der oberste peruanische Militärgerichtshof hat ihn am 26. August freigesprochen. Wir hatten euch wegen seiner Verhaftung per Brief gebeten, euch für seine Freilassung einzusetzen. Aus Rückmeldungen wissen wir, dass sich viele ila-LeserInnen an die entsprechenden Stellen in Peru gewandt haben. (Die Faxnummern waren übrigens alle richtig. Allerdings hatte man in Peru die Faxe teilweise ab- oder auf Telefonbetrieb umgeschaltet.) Allen, die sich beteiligt haben, ein herzliches Dankeschön! Mehr über Julios Festnahme, seine Freilassung und die Kampagne, die dazu führte, findet ihr auf Seite 32.
„Mexico in den USA“ heißt dieses Mal das Schwerpunktthema. Normalerweise gilt das mexicanische Ufer des Río Grande als Nordgrenze Lateinamerikas. Dann kommt… Der reiche Norden? Uncle Sam-Land? Das Herz der imperialistischen Bestie? Oder vielleicht ein weiterer Teil Lateinamerikas, nur dass dieser nicht als solcher wahrgenommen wird? Dabei leben über 20 Millionen LateinamerikanerInnen in den USA. PuertoricanerInnen in New York, CubanerInnen in Miami, SalvadorianerInnen in Los Angeles… Die Reihe ließe sich lange fortsetzen. Zahlenmäßig werden sie bald die afroamerikanische Bevölkerung als größte Minderheit in der US-Gesellschaft abgelöst haben, schon jetzt ist in US-Großstädten an vielen Straßenecken mehr Spanisch als Englisch zu hören.
Die meisten Latinas/os in den USA – etwa 14 Millionen Menschen – kommen aus Mexico oder sehen dort ihre Wurzeln. „Mexico in den USA“ – damit sind nicht nur MigrantInnen gemeint, wie man im ersten Moment annehmen könnte. Mitte letzten Jahrhunderts annektierten die USA die Hälfte des mexicanischen Staatsgebietes. Per Federstrich wurden knapp hunderttausend MexicanerInnen zwischen Texas und Kalifornien zu US-AmerikanerInnen, wenn auch zu BürgerInnen zweiter Klasse.
MexicanerInnen migrieren schon lange in die USA. Seit Ende der 70er Jahre dieses Jahrhunderts treibt die mexicanische Dauerkrise immer mehr Menschen in das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, mit oder ohne Aufenthaltspapiere. Als flexible und billige Arbeitskräfte arbeiten sie auf Feldern und in Schlachthöfen, putzen Häuser und pflegen Gärten der „weißen“ Mittelschicht oder waschen die berühmten Teller. MillionärIn zu werden bleibt dabei ein unerfüllter Traum.
Rassismus und Diskriminierung prägen die Geschichte und die Situation der mexicanischstämmigen Bevölkerung in der US-Gesellschaft. Ebenso wie EinwanderInnen und Minderheiten in Deutschland gehören sie nicht „dazu“ und sind schnell als Sündenböcke ausgemacht, wenn es opportun ist. Trotz – oder gerade wegen – der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Ausgrenzung ist die mexicanischstämmige US-Bevölkerung vielfältig: bürgerliche Mittelschicht neben armen MigrantInnen, Heimatvereine neben Metropolenkids. Integrationsbemühungen stehen neben Ethno-Nationalismus.
Lateinamerika hört nicht am Río Grande auf. Die viel beschworene Globalisierung findet nicht nur von oben, sondern auch von unten her statt, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Für die Wirtschaft lösen sich die Grenzen auf, für arme Menschen wird versucht, sie zu schließen. Migration ist aber ein Teil der Globalisierung. Dadurch verändert sich innerhalb der Grenzen einiges: „Türkei in Deutschland“ – „Korea in Japan“ – … – „Mexico in den USA“.
Zum Schluss: Auch wir stellen auf die neue Rechtschreibung um, da wir es prinzipiell richtig finden, die deutsche Sprache zu vereinfachen. „Daß“ sollte es ab diesem Heft nicht mehr geben. Was wir allerdings Klein oder groß, zu sammen oder auseinanderschreiben und wo jetzt genau ein , hinkommt diskutieren wir noch. (Abschaffung aller Kommaregeln! Freiheit für die Sprache! Lasst weg, was Euch kaputt macht! – der libertäre Säz.)