Am 24. März 1976 putschten die Militärs in Argentinien und leiteten damit die größte Repressionswelle in der Geschichte des Landes ein. Vier Jahre später wurde an dem Datum in El Salvador Erzbischof Oscar Romero ermordet. Letztes Jahr dann, ebenfalls am 24. März, begann der Nato-Krieg gegen Jugoslawien. Historische Daten mit Brisanz.
Was 1999 von vielen – auch von uns – im Kosovo vorhergesagt wurde, ist heute traurige Gewissheit: Das Zusammenleben der Menschen dort ist durch den Krieg tiefgehend gestört worden, längst nicht alle albanischstämmigen Flüchtlinge sind zurückgekehrt; die serbische Bevölkerung wurde vertrieben und die Lage der Roma und anderer Minderheiten, die über keinerlei internationale Lobby verfügen, ist desolat. Wirtschaftliche Perspektiven für die Region sind für lange Zeit zerstört. Zwar heißt es seit einigen Monaten in den Medien, es sei nun wieder Frieden, aber in Wirklichkeit ist der Krieg noch nicht einmal wirklich beendet, sondern schwelt trotz massiver Nato-Truppenpräsenz weiter. Menschenrechte werden eben nicht mit Bomben durchgesetzt. Leicht zu durchschauen war, dass es um Menschenrechte nur in der Propaganda ging. Das Schauspiel „innerer Zerrissenheit», das uns Leute wie der deutsche Kriegsminister präsentierten, diente vor allem dazu, ein Ziel nicht offen benennen zu müssen, auf das die deutsche Außenpolitik seit Jahren systematisch hingearbeitet hatte: Deutschland – auch militärisch – endlich zu einem „normalen» Land zu machen, aus seiner historisch begründeten Begrenzung herauszuholen und zu verhindern, dass man sich wie im 2. Golfkrieg mit der Rolle des zahlenden Zuschauers zu begnügen habe.
Etliche SPD- und Grüne-WählerInnen hatten eine solche Entwicklung natürlich ganz und gar nicht gewollt. Dass ausgerechnet die von ihnen mit so viel Hoffnung begleitete neue Bundesregierung sich dazu hergab, den Krieg hierzulande neuerlich als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln zu etablieren, entsetzte und erschütterte sie zutiefst. Zum großen Aufschrei kam es aber nicht. Während des Krieges schienen die Friedenskräfte in beiden Parteien wie gelähmt, danach versuchte man, so schnell wie möglich zur Tagesordnung zurückzukehren. Vergessen und Verdrängen war angesagt. Was blieb, war die Unfähigkeit, um ernsthafte Reformen, um Schritte zu einer anderen Politik zu ringen. Die Rede von der Politikverdrossenheit, davon, dass die da oben sowieso machen, was sie wollen, machte von Neuem die Runde.
Nach der Bundesregierung leistet heute die CDU ihren Beitrag zu diesem Phänomen. Allerdings: Wen wundert es wirklich ernsthaft, dass bürgerliche PolitikerInnen sich nicht um die von ihnen selbst gemachten Gesetze scheren, wenn sie ihnen nichts nützen? Wer ist darüber überrascht, dass PolitikerInnen große Geldsummen annehmen, ohne nach der Herkunft zu fragen, und dann eine Politik betreiben, die den SpenderInnen – zurückhaltend ausgedrückt – nicht weh tut? Natürlich erfüllt es auch uns mit einer gewissen Schadenfreude, wenn ein selbstherrlicher und machtgeiler Mann wie Helmut Kohl plötzlich nur noch als bockiger Lügner dasteht. Aber führt das Ganze zu etwas Anderem, als dass die wirklich wichtigen politischen Fragen ungestellt und undiskutiert bleiben? Arbeitslosigkeit, Gentechnologie, Atompolitik, das völlig ungehinderte Manövrieren großer Geldströme – all diese und viele weitere Themen werden in der öffentlichen Debatte nur noch marginal behandelt. Hinter dem Getöse um den großen Spendenskandal, der die Republik erschüttert, werden die eigentlichen Skandale überdeckt: zum Beispiel, dass die soziale Versorgung armer Menschen immer mehr zusammengestrichen wird, während der Chef der Mannesmann AG sich seinen Abgang mit 60 Millionen Mark vergolden lässt.
Argentinien, El Salvador, Kosovo – die Reihe ließe sich fortsetzen. Wieder einmal wird deutlich, wie notwendig eine aktionsfähige außerparlamentarische Bewegung ist. Sicherlich könnte man noch weitere Ereignisse finden, die mit dem 24. März verbunden sind. Viele, die vor ein paar Jahren noch auf die Straße gegangen sind, um zu zeigen, dass sie mit den Verhältnissen nicht einverstanden sind, haben sich auf die Rolle des/r resignierten, mitunter zynischen Zuschauers/in zurückgezogen und es aufgegeben, in das öffentliche Geschehen einzugreifen. Nehmen wir den symbolträchtigen 24. März als Anlass zum Widerstand gegen Diktatur und Krieg ebenso wie – im Sinne des salvadorianischen Bischofs Oscar Romero – zur Hoffnung.
P.S.: Schwerpunkt dieser Ausgabe ist der 20. Todestag Oscar Romeros. Er steht nicht wie üblich am Anfang des Heftes, sondern ist als Dossier in der Mitte eingeheftet. Dieses ist – auch in größerer Stückzahl – gesondert erhältlich, zum Beispiel zur Verteilung bei den Veranstaltungen und Aktionen zum Todestag Romeros. Ihr könnt die Dossiers kostenlos bekommen, über kleine Spenden zur Deckung unserer Unkosten freuen wir uns natürlich.