Was kostet ein Menschenleben? Diese Frage lässt sich unter vielerlei Kriterien stellen. Allerdings steht zu befürchten, dass es nicht mehr lange dauert, bis die Antwort per Preisaushang gegeben wird, in US-Dollar, Euro oder Yen.
Geistige Eigentumsrechte auf Bestandteile von Pflanzen und Tieren gehören bereits zum schlechten Ton im internationalen Warenverkehr. Federführend sind Pharma- und Saatgutkonzerne: Bayer, Hoechst, Merck, Aventis, Monsanto und und und. Deren PR-Abteilungen wissen allerdings auch, dass ihr Treiben in der Öffentlichkeit argwöhnisch beäugt wird. Um negative Assoziationen zu vermeiden, versucht man, sich vom schlechten Image der Chemie- und Pharmabranche zu lösen. „Life Science» heißt die Devise. Klingt das nicht schön?! Es geht um Leben – und wer hat schon etwas gegen Leben? „Life Science» will nichts anderes, als das Leben schöner machen. Und was ist dafür besser, als von der Natur zu lernen?
Das Ziel der Unternehmung ist kein sonderlich altruistisches, sondern der Gewinn, die Mehrung des shareholder value – natürlich. In dieser Logik werden Tiere und Pflanzen zu biologischen Ressourcen: Rohstoffquellen, die es auszubeuten und weiter zu verarbeiten gilt und die erst in den Händen von Wissenschaft und Unternehmen ihre wahre Bestimmung erfahren. Erreicht wird das mit Hilfe von Biotechnologie. – Spätestens seit der Ökobewegung wissen wir: Wo Bio drauf steht, ist Gutes drin. – Eingesetzt werden diese Ressourcen laut den LebenswissenschaftlerInnen dann, um die Medizin voranzutreiben oder ergiebigeres Saatgut im Dienste der Welternährung zu entwickeln.
Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt zu den „human resources» – den „menschlichen Rohstoffquellen». Im technokratischen Neudeutsch sind „human resources» mittlerweile zu einem festen Begriff geworden: GenetikerInnen erfassen die Programmdateien der Ressource Mensch – auch Erbgut genannt –, Unternehmen verwalten ihre menschlichen Rohstoffquellen und in der Entwicklungshilfe werden die „menschlichen Rohstoffquellen» der armen Länder verbessert, sozusagen optimiert.
Die Wachstumschancen der Märkte mit diesen Rohstoffquellen – biologischen im Allgemeinen, humanen im Speziellen – sind grandios, die Ware Natur wird dabei von der Ware Mensch noch überholt. Doch bevor die Potentiale voll ausgeschöpft werden können, müssen noch einige Vorarbeiten abgeschlossen werden: zum einen die technische Verfügbarkeit der Biomasse und deren marktgerechte Aufarbeitung. Daran wird kräftig gearbeitet, im Rahmen des weltweiten Projekts zur Erfassung des menschlichen Genoms oder auch in Lateinamerika, wo diverse Unternehmen und sogenannte BiopiratInnen nach Pflanzen- und Tierbestandteilen und dem Wissen indigener Völker um deren Nutzung suchen.
Zum anderen sind da noch diverse politische, juristische und soziale Fragen zu klären. Um nur zwei zu erwähnen: Wie wird das Copyright auf Leben international geregelt? Und: Wie kriegt man die „menschlichen Rohstoffquellen» dazu, ihre angeblich unnötige Angst vor den Folgen der Bio- und Gentechnik zu vergessen?
Der öffentliche Protest gegen die Patentierung gentechnisch manipulierter und hergestellter menschlicher Zellen und Embryonen als auch der Widerstand gegen die Einführung gentechnisch veränderter Lebensmittel zeigen, dass die „menschlichen Rohstoffquellen» sich dagegen wehren, nur noch als solche gesehen zu werden. Im folgenden Schwerpunkt haben wir einige Beispiele dafür zusammengetragen. Diese zeigen unter anderem, dass es möglich ist, sich auch als Nicht-Experte/in zu diesen Problemen zu engagieren. Und das ist leider auch bitter notwendig. Denn derzeit wird die Nutzung „biologischer Ressourcen» vor allem in Fachzirkeln und auf internationalen Konferenzen diskutiert, Entscheidungen werden größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen. Mit diesem Schwerpunkt möchten wir dazu beitragen, dass sich das ändert!