Ausländerfeindlichkeit ist nicht mehr „anständig“. Ist sie das vielleicht deshalb nicht mehr, weil sich so ein Phänomen kritisieren lässt, ohne es zu treffen? Wer wäre denn schon „ausländerfeindlich“? EineR, der/die etwas gegen Österreicher hat oder gegen Luxemburgerinnen? Und wäre entlastet, wer Kinder im Irak geborener Deutscher totschlägt oder schwarze Deutsche als Affen beschimpft?
Wir reden also von Rassismus. Selbstverständlich unterstellt dieser Begriff nicht die Existenz von Menschenrassen, sondern meint die Diskriminierung von Menschen auf Grund ihrer Hautfarbe, Sprache, Religion oder anderer äußerer Merkmale.
Auch LateinamerikanerInnen sind in Deutschland von Rassismus betroffen. Es ist deshalb keine Entlastung der Zustände in der eigenen Gesellschaft – gerade in Zeiten, wo die Patrioten (der Kabarettist Volker Pispers bezeichnet das als Verbindung von Patria und Idioten) von deutscher Leitkultur faseln – wenn wir uns in dieser ila mit dem Rassismus in Lateinamerika beschäftigen. Wir thematisieren, diskutieren und bekämpfen seit über zwei Jahrzehnten den Rassismus in der BRD. Aber er existiert offensichtlich überall, auch wenn er in unterschiedlichen Fratzen daherkommt.
Um mehr über Entstehungsweise, Grundlagen und Ausdrucksformen von Rassismus zu erfahren, ist es nützlich, auch mal nach außen zu schauen. Rassismus hat viele Gesichter. Er kann offen-diskriminierend „Indio“ als Schimpfwort benutzen; er kann aber auch die Musik und die Tänze der AfrobrasilianerInnen als nationales Kulturgut usurpieren und schwarze Fußballballer feiern und dabei die Mehrheit der Schwarzen dennoch auf der untersten Stufe der sozialen Pyramide in bitterster Armut und Verachtung belassen. Rassismus gegen indigene und schwarze Menschen hat eine Tradition bis in die Zeit der Conquista und des Sklavenhandels. Neue Formen des Rassismus richten sich nicht gegen InländerInnen anderer Hautfarbe, sondern tatsächlich gegen „AusländerInnen“. Dabei vermischen sich Vorbehalte gegen mögliche KonkurrentInnen mit tief verwurzelten rassistischen Feindbildern.
Rassismus ist vielschichtig und natürlich auch ein Herrschaftsphänomen. Besser, die Beherrschten gehen sich gegenseitig an die Gurgeln, als die ganze Herrschaft in Frage zu stellen und zu bekämpfen. Aber Rassismus erklärt sich immer auch aus dem Bedürfnis von Gruppen und Individuen, soziale Unterschiede zu legitimieren oder sich auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen. Wenn es dann – besonders in Zeiten von Krisen und Verunsicherung – jemanden gibt, auf den man ungestraft oder gar „von oben“ ermuntert draufschlagen kann, gibt es genügend Frauen und noch viel mehr Männer, die das gerne tun. Das schafft Frust vom Hals und vermittelt ein Gefühl von Macht über andere. Im kleinen wie im großen Rahmen ist Rassismus offen oder versteckt (Leitkultur) Ausdruck von Gewalt und Gewaltanspruch anderen gegenüber.
Weiße EuropäerInnen oder ihre Nachfahren sind auch in der „neuen Welt“ eher Täter als Opfer (es sei denn, sie sind jüdischen Glaubens). Aber auch Schwarze oder Indígenas können RassistInnen sein. Auch bei diskriminierten Gruppen ist Identitätspolitik, die sich auf das Gemeinsame beruft, Ausschluss der Anderen. Selbst auf Grund ihres „Andersseins“ diskriminiert, richten sie sich nicht nur gegen die unterdrückerische weiße, sondern gegen andere Welten als solche. Dabei sind selbstverständlich auch ethnische Minderheiten nicht homogen, haben sie Widersprüche und Interessengegensätze – zwischen Armen und Reichen, zwischen Frauen und Männern, zwischen Jugendlichen und Alten, die auf die Tradition und damit auch ihre tradierten Herrschaftsansprüche bestehen.
Viele Fragen, die in dieser ila natürlich längst nicht alle diskutiert und erst recht nicht beantwortet werden. Vielmehr werfen wir einige Schlaglichter auf das Thema und hoffen, zu einer allenthalben notwendigen Diskussion beizutragen. Damit nicht noch mehr Menschen Opfer primitiver Killer werden!