Als der ecuadorianische Präsident Jamil Mahuad Anfang Januar letzten Jahres überraschend die Einführung der neuen Landeswährung US-Dollar ankündigte, fegte ihn ein Aufstand der Indígenas mit Unterstützung einiger Militärs von der Macht ins politische Aus. Sein Nachfolger Gustavo Noboa besaß die Frechheit, genau das zu tun, was die Volksbewegung verhindern wollte: Der Sucre wurde abgeschafft und der US-Dollar zum offiziellen Zahlungsmittel erklärt. Diese Maßnahme hat weder die Inflation gedämpft noch die Wirtschaft auf Wachstumskurs gebracht – immerhin die beiden Hauptziele der Währungsumstellung.
„Als ob die Dollarisierung Lateinamerika davor bewahren würde, in das schwarze Loch der wirtschaftlichen Rezession des Nordens zu fallen“, kritisiert Pablo Gámez die verführerischen Sirenengesänge zur Globalisierung (S. 4). Dennoch drängeln sich viele Politiker des lateinamerikanischen Establishments danach, „ihr“ Land unter das Kommando des US-Geldes zu stellen. Seit Januar 2001 gehört auch El Salvador zur Dollarzone, im Mai soll Guatemala folgen, wenngleich die Landeswährung Quetzal nicht offiziell abgeschafft werden soll. Aus Sicht der USA sieht das natürlich etwas anders aus. Dass es sich auszahlt, anderen Staaten das Geld des eigenen Machtbereichs aufzudrängen, wussten schon die griechischen Stadtstaaten. Wer Geld als Zahlungsmittel ausgibt, verdient dabei. Dass mit der geldpolitischen Kontrolle wirtschaftlicher und politischer Einfluss ausgeübt werden kann, ist ebenso klar. Trotzdem gibt es im US-Establishment auch kritische Stimmen. Natürlich sorgen sich die nicht um die Unabhängigkeit Lateinamerikas, wohl aber um die Stabilität ihrer Währung.
Lateinamerikanische PolitikerInnen, BankerInnen und UnternehmerInnen, die das Experiment der Dollarisierung vorantreiben, verweisen auf das europäische Beispiel: Schließlich würde mit dem Euro auch eine gemeinsame Währung eingeführt. Abgesehen davon, dass mit den sogenannten Euro-Kriterien auch in der alten Welt reichlich unsoziale Wirtschaftspolitik durchgesetzt wurde und wird, zeichnet sich die aufkommende Eurozone immerhin dadurch aus, dass alle Euro-Länder in der europäischen Zentralbank vertreten sind und über währungspolitische Entscheidungen mitbestimmen. Die US-Notenbank wird dagegen kaum salvadorianische oder ecuadorianische Wirtschaftspolitiker fragen, wenn die Leitzinsen verändert werden sollen. Lateinamerikanische Belange spielen für Entscheidungen der US-Notenbank keinerlei Rolle, während umgekehrt die finanzpolitischen Entscheidungen der USA für die lateinamerikanischen Ökonomien weitreichende Folgen haben.
Mit der Dollarisierung ihrer Volkswirtschaften geben die lateinamerikanischen Politiker ein finanzpolitisches Steuerungsinstrument aus der Hand. Darüber hinaus leisten sie einen politischen Offenbarungseid, indem sie unumwunden erklären, dass sie sich in Lateinamerika keine von den USA unabhängige Politik mehr zutrauen.
Natürlich gibt es Gründe, in Lateinamerika über den Umgang mit der US-Währung nachzudenken. In vielen Ländern ist der Dollar längst Leitwährung, weil die grünen Scheine überall kursieren. Die so genannten „remesas“, die Überweisungen der in den USA arbeitenden und lebenden MigrantInnen aus Lateinamerika, sind in vielen Ländern inzwischen die wichtigste Devisenquelle. Die Existenz der „remesas“ und die daraus resultierende Zirkulation von Dollars in breiten Bevölkerungsschichten hat die Dollarisierung in Zentralamerika sicherlich forciert. Dazu kommt, dass sie keineswegs per se unpopulär ist. Im Gegenteil: Der Dollarbesitz gilt für viele LateinamerikanerInnen heute als Garant für einen besseren Lebensstandard und den Zugang zur Welt des Konsums. Da scheint es vernünftig, die Unterwerfung unter den Dollar freiwillig zu vollziehen.
Dennoch: den Dollar im Zirkulationsbereich zu adaptieren ist bei weitem nicht dasselbe wie ihn zu „adoptieren“. Ersteres ist eine kontrollierte Form des status quo, während mit der Adoption des Dollars ein Kuckucksei ausgebrütet wird, dem seine Adoptiveltern schon bald herzlich egal sein werden… Es wäre Aufgabe der oppositionellen Kräfte, Alternativen zum gegenwärtig herrschenden Konsum-Modell zu entwickeln, Alternativen, in denen Menschen die Träume eines guten Lebens verwirklicht sehen. Derzeit weiß niemand, wie diese Alternativen heute genau aussehen müssten, damit sie Zustimmung finden. Aber aufhören, darüber nachzudenken, können wir uns nicht leisten!