Pastrana war hier. In der Bundesregierung und der EU war man sehr angetan vom kolumbianischen Präsidenten. Weil er so nett war, wurden ihm auch kaum lästige Fragen gestellt, etwa zu den Menschenrechten. Überall nette Leute, Friedens- und Entwicklungspolitiker, alle auf derselben Wellenlänge… Keine Woche später wurden der kolumbianischen Regierung auf einer Geberkonferenz von der EU für die nächsten sechs Jahre bereits 330 Mio Euro (645 Mio DM) zugesagt.
Kaum jemand nahm hierzulande Notiz von diesen Vorgängen – auch nicht davon, dass Pastrana immerhin Präsident eines Landes ist, in dem es inzwischen zwei Millionen Kriegsvertriebene gibt, weil seit zwei Generationen offener Krieg herrscht (es ist noch nicht lange her, da wurde jeder Kosovo-Flüchtling zweimal gezählt – die kolumbianischen Flüchtlinge hingegen noch nie). Es geht um die herrschende (Land)Wirtschaftsordnung und um Öl unter dem umkämpften Land. Nach dem Willen der Regierungen und Armeeführungen in Washington und Bogotá soll dieser Krieg in den nächsten Jahren noch verschärft werden – die dafür nötigen Mittel haben die USA im Rahmen des Plan Colombia bereits bewilligt. Aus Sicht der Vereinigten Staaten gehört Kolumbien schließlich zum eigenen Hinterhof, und so beabsichtigt die US-Regierung allen Ernstes, nach Kolumbien ebensoviel Militärhilfe zu pumpen wie weiland in den 80er Jahren nach Mittelamerika. Wieder aus geostrategischen Gründen – dieses Mal freilich eng verknüpft mit den Interessen der Öl- und Rüstungskonzerne. Und wieder für Streitkräfte, deren Angehörige für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Selbst in bürgerlichen Medien der USA fühlt man sich an Vietnam erinnert.
Bei dem Plan, den Pastrana in Europa propagierte, war allerdings nicht von Militarisierung und Krieg, sondern nur vom Frieden die Rede. Natürlich auch von Drogen, aber die sollen nicht mit Gewalt und Gift bekämpft werden, sondern mit Anreizen zur Substitution und sozialen Alternativen für die Coca-ProduzentInnen.
Die Arbeitsteilung, die wir da studieren können, erinnert in mancherlei Hinsicht fatal an das Jahrzehnt der US-Intervention in Zentralamerika: Damals organisierten die USA und deren militärisch-industrieller Komplex den Krieg, und die EuropäerInnen „begleiteten“ die Friedensverhandlungen (wenn auch nicht, ohne gleichzeitig die Aufstandsbekämpfungsregime mit „zivilen“ Projekten zu unterstützen). Letztlich zogen beide am selben Strang, und, wie wir wissen, gingen ihre Rechnungen auf: In Mittelamerika schweigen die Waffen, und die alten Machteliten herrschen – von sozialen Veränderungen spricht niemand mehr.
Dennoch sehen die Guerillabewegungen, Menschenrechtsorganisationen und antimilitaristischen Kräfte Kolumbiens zwischen den USA und Europa Unterschiede. Zur Durchsetzung von Verhandlungen und deren Ergebnissen brauchen sie internationale UnterstützerInnen, und die werden kaum in den US-Öl- und Rüstungskonzernen oder in der Bush-Administration zu finden sein. So hoffen sie auf die europäischen Regierungen als BündnispartnerInnen gegen den Giganten im Norden. Das erscheint nicht aussichtslos, denn für VertreterInnen europäischer Interessen könnte ein „Verhandlungsfrieden“ durchaus interessant sein. Aus Sicht der kolumbianischen Opposition sind es pragmatische Versuche, das Morden im Land zu beenden.
Wir sollten allerdings die Politik der europäischen Regierungen und der EU-Kommission ebenso wie die der US-Administration betrachten als das, was sie ist: ordinäre Macht- und Interessenpolitik.
Nehmen wir uns getrost ein Beispiel an den US-KollegInnen – die übrigens einen Großteil der Beiträge dieses Heftes beisteuerten – und mobilisieren stärker als bisher gegen diese Politik. Vielleicht so wie Ende April in Brüssel: Die Torte erreichte zwar weder den Ratsbeauftragten und früheren Nato-Generalsekretär Solana noch den zuständigen Kommissar Patten, landete dafür aber auf dem Auto des kolumbianischen Botschafters, der verhindern wollte, dass der kritische Labour-Europaabgeordnete Richard Howett Zutritt zur o. g. Geberkonferenz bekam. Erwähnt wurden die erbosten DemonstrantInnen vor dem Konferenzgebäude im kolumbianischen, spanischen und englischen Fernsehen. Und in der ila.