Die Krise im Verhandlungsprozess zwischen kolumbianischer Regierung und der Guerilla-Gruppe FARC Mitte Januar machte Kolumbien kurzfristig zum Thema in der deutschen Presse. So wurde über Staatspräsident Pastrana berichtet, der den Rebellen in großzügiger Manier ein Gebiet so groß wie die Schweiz überlassen habe, und wie dieses von einer Guerilla, die bisher keine konkreten Friedensangebote gemacht hat, missbraucht würde. Kaum wurde dabei erwähnt, dass auch die Regierung keine konkreten Taten in diesem Prozess vorzuweisen hat und dass die Friedenspolitik weiter eine Präsidenten-, aber keine eigentliche Staatspolitik ist. KritikerInnen meinen sogar, Präsident Andrés Pastrana habe die Friedenspolitik geschickt genutzt, um von seiner knallharten neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik abzulenken. Gerade die ist es, die den Frieden in Kolumbien in noch weitere Ferne rücken lässt.

Kolumbiens Bevölkerung erlebt eine wahre humanitäre Tragödie. Diese ist von zwei Aspekten bestimmt: den Auswirkungen des bewaffneten Konfliktes sowie der sich rapide verschlechternden sozialen Situation. Indikatoren dafür sind über zwei Millionen Binnenflüchtlinge, die der Krieg und mächtige Interessen an ihrem Land ihrer Heimat beraubt haben, eine Rekordarbeitslosigkeit von 16,8 Prozent und weitere 38 Prozent, die als unterbeschäftigt gelten. Hinter letzterem Begriff verbirgt sich die Tatsache, dass diese Leute mit ihrer Arbeit schlicht nicht genug verdienen, um überleben zu können. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts wurde 2001 auf 3,8 Prozent veranschlagt, erreichte schließlich aber nur 1,5 Prozent. Die Außenverschuldung beträgt mit knapp 39 Mrd. US-Dollar zwar nur ein Viertel der argentinischen (155 Mrd. US-$), repräsentiert mit 48 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aber soviel wie dort.

In der deutschen Presse wird viel über die Guerilla, selten über die Paramilitärs, fast nie – zumindest nicht differenziert – über die wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe des bewaffneten Konfliktes berichtet, und erst recht nicht, dass die meisten Opfer nicht die bewaffneten KämpferInnen, sondern Zivilpersonen sind. Und eben gegen Letztere wird in Kolumbien in erster Linie – durchaus selektiv – vorgegangen. Trotz des ständigen Prozesses von Vereinzelung und physischer Eliminierung gibt es in Kolumbien immer noch soziale Bewegungen, die ihre Rechte verteidigen und sich gegen wirtschaftliche Ausbeutung, Entmündigung und das freie Schalten und Walten des Auslandskapitals, verquickt mit Oligarchieinteressen, wehren. In dieser ila werden Beispiele der Kämpfe dieser Organisationen – Gewerkschaften, Bauern-, Indígena- und Schwarzen-Organisationen – vorgestellt. Beispiele, die aufzeigen, mit welcher Kraft, Überzeugung und Engagement sie gesellschaftliche Forderungen einbringen, kollektive Rechte und Würde verteidigen und deshalb Opfer einer unbarmherzigen Strategie von individueller und kollektiver Zerstörung werden.

Neben dem eigentlichen Schwerpunkt dieser Ausgabe „Krieg gegen Zivilbevölkerung und soziale Bewegung in Kolumbien“ hat diese ila noch einen zweiten Schwerpunkt, den die aktuelle Entwicklung bestimmt hat: Argentinien. Ein US-amerikanischer, ein französischer und ein österreichischer Autor analysieren die ökonomischen Hintergründe der Krise und die Zwielichtigkeit des neuen peronistischen Führungspersonals. Unsere drei „ilas“ aus Buenos Aires, Esther Andradi, Carlos Flaskamp und Alicia Rivero berichten aus der und über die Wirklichkeit einer Stadt, die trotz der staatlichen Repression einfach „basta“ sagt, weil sie gestrichen die Nase voll hat.

P.S. Wie alljährlich wünschen wir auch für 2002 unseren LeserInnen viel frische Wut. Manchmal spüren wir sie schon: Das letzte Mal war uns das mit unserer Ausgabe „Kontinuitäten kolonialistischer Politik 1492-1992“ im Oktober 1991 „passiert“: Wir mussten Hefte nachdrucken! Das Rentendossier in der ila 251 wurde dermaßen stark nachgefragt, dass wir eine zweite Auflage in Auftrag gegeben haben (Machmal macht ila-Arbeit richtig Spaß!). Sie ist inzwischen gedruckt und verarbeitet. Wer jetzt Veranstaltungen, Diskussionen oder Seminare über das vorbereitet, was die rotgrünen oder schwarzbraunen „Modernisierer“ künftig mit der Altersversorgung vorhaben, kann das Dossier zum Preis von 1,50 Euro (ab 10 Expl. 30 Prozent Rabatt) bei uns nachbestellen!