Chile ist das Vorbild. Nein, nicht unseres, ihr Vorbild, das Vorbild all derer, die ohne Zögern und ohne Skrupel Geschäfte mit der Hilfsbedürftigkeit der Menschen zu machen bereit sind. Der Vorsitzende des Verbandes der chilenischen privaten Krankenversicherungen sagt, diese seien „für die Leute da, die es bezahlen können. Der Staat kann bei den Ärmsten einspringen.“ Etwas gewunden klingt das beim Geschäftsführer der deutschen privaten Krankenhauskette Sana dann so: „Ich meine, dass wir eigentlich ein System haben müssten, dass das Krankenhaus, was zu wirtschaftlichen Konditionen eine sehr gute Leistung erbringt, verstärkt nachgefragt werden müsste und dass das Krankenhaus, was sich am Markt nicht positionieren kann, dann gegebenenfalls vom Markt verschwindet.

Kein Wort mehr über, nicht ein Gedanke an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, in der das „Recht auf einen für die Gesundheit und das Wohlergehen angemessenen Lebensstandard einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung, Wohnung, ärztlicher Versorgung und das Recht auf Sicherheit im Falle von Krankheit, Invalidität oder Alter“ proklamiert wurde. Viel Papier wurde seither mit Gesundheit bedruckt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erließ 1986 einen Aufruf zu aktivem Handeln mit dem Ziel der Gesundheit für alle. Zehn Jahre später verkündete sie dann eine Erklärung über das menschliche Genom, die jeden privaten Zugriff legitimierte und der Geschäftemacherei Tür und Tor öffnete.

Solch eine Entwicklung wurde unter anderem in Chile seit 1981 konsequent verfolgt mit dem Ergebnis: An die Stelle eines halbwegs funktionsfähigen Sozialsystems trat ein Sammelsurium (teil-) privatisierter Renten- und Krankenversicherungen, die weder die Renten noch die Gesundheit auch nur annähernd versichern. Das Gesundheitswesen entwickelte sich zu einem ganz normalen Markt und der Trend hierzulande geht in dieselbe Richtung. Nochmals der Sana-Geschäftsführer: „Gewinn ist kein Teufelszeug und auch nicht in Krankenhäusern.“

Und es ist viel zu holen bei denen, die es bezahlen können. Allein die Gesetzliche Krankenversicherung in der BRD hatte im Jahr 2000 Ausgaben von mehr als 250 Milliarden DM, im gesamten Gesundheitswesen war der Umsatz mehr als doppelt so hoch. Weltweit gilt der „Gesundheitsmarkt“ als 3,5 Billionen Dollar schwer. Vor allem reiche Menschen und reiche Gesellschaften lassen sich ihre Gesundheit – oder auch einfach ihre „wellness“ – etwas kosten. So wird ein Menschenrecht zu einer Ware auf dem Markt; der kranke, Hilfe suchende Mensch hat nur noch eine Bedeutung als zahlungsfähiger Kunde.

Gleichzeitig wird das Gesamtsystem schlecht geredet: Kostenexplosion, Effizienzdefizit sind die Stichworte, mit denen wohl davon abgelenkt werden soll, dass es an zahlungskräftigen EinzahlerInnen fehlt, denn nach wie vor sind es allein die immer weniger werdenden regulär Beschäftigten, die mit ihren Einkommensanteilen die Gesetzlichen Kassen finanzieren. Und wie immer heißt das Allheilmittel Privatisierung und Markt. (Dabei gäbe es durchaus noch zahlungsfähige BeitragszahlerInnen…) Wie ein System billiger werden soll, aus dem nun auch noch private Gewinne herausgezogen werden sollen, bleibt ein Rätsel. Und auch die Effizienz ist weder bei der privatisierten britischen Eisenbahn noch in der völlig privatisierten argentinischen Wirtschaft gestiegen. Die Menschen im benachbarten Uruguay haben das verstanden und in großen Mobilisierungen mehrfach Privatisierungen in ihrem Land verhindert.

Das könnte ein Vorbild sein. Für uns.