Das Kriegsgespenst geht wieder um. Was wissen wir in Mitteleuropa noch vom Krieg? Zu unserem Glück kaum mehr als das, was in den zahllosen (falschen und richtigen) Nachrichten darüber vermeldet wird. Und es gab genug Schrecken verbreitende Kriege in den vergangenen sechs Jahrzehnten. Wie viel konkrete Erfahrungen über diese ohnmächtig machende Gewalt gibt es noch in unseren Breiten?

Das Jaulen von Sirenen verursacht bei unserem ältesten Mitarbeiter regelmäßig eine Gänsehaut – angstbesetzte Erinnerung eines Kindes an den Bombenterror in Berlin 1943. Den US-Überfall auf Grenada „durfte“ 1983 einer unserer Redakteure hautnah miterleben. Spätestens seit Vietnam (US-Invasion 1957-73) wurden die Kriege dieser Erde mit deutlich politischem Bewusstsein erlebt: der Militärputsch in Chile 1973, die Konterrevolution in Nicaragua 1981-1989, die US-Invasion in Panama 1989, der Golfkrieg 1991, der Krieg in Bosnien 1992-1995, der Krieg im Kosovo 1999 (USA & Europa) oder die „leisen“ Kriege in Guatemala, El Salvador und Kolumbien – und was kommt 2003 dazu?

Während sich viele EuropäerInnen und US-AmerikanerInnen durch die Auseinandersetzung mit diesen Kriegen politisiert haben und über längere Zeit hinweg politische Positionen besetzen konnten, wie z.B. die große Friedensbewegung der 80er Jahre, haben vor allem konservative Machtzirkel in den USA nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zielstrebig auf eine Neuordnung der Welt hingearbeitet. Der gewaltsame „demokratische Umbau“ des Irak gehört offensichtlich zu solchen Plänen.

Die Menschen dieses Landes aber wollen keinen Krieg, sie kennen ihn zur Genüge und nicht jede Regierung – wie z.B. die französische oder die deutsche – möchte im Kielwasser des US-Zerstörers mitpaddeln. Deren Ablehnung allerdings hat humanitäre Gründe nur zu aller Letzt. Es geht um vielschichtige Interessen, um Macht, Einfluss und Kontrolle, um Vorteile gegenüber den wirtschaftlich großen Mitspielern und es geht natürlich um Öl in seiner Eigenschaft als ebenso bedeutsamer wie reaktionärer Energieträger.

Wenn sich die Bundesregierung gegen einen Krieg im Irak ausspricht, sagt sie gar nichts über ihre eigentlichen Motive. Dennoch dürfte sie tatsächlich kein Interesse an einem solchen Krieg haben. Weder kann ihr an einem weiteren Anstieg der US-Dominanz (im Erfolgsfall), noch an einem politischen Desaster in der Region gelegen sein, sollte die US-„Friedensmission“ misslingen. Noch deutlicher könnte zukünftig internationale Macht militärisch definiert werden. Noch selbstverständlicher könnte es werden, dass sich der militärisch Starke das greift, was er möchte, weil dem Schläger keiner mehr Einhalt zu gebieten wagt. Als Folge einer solchen Neokolonialpolitik könnte es allerdings auch dazu kommen, dass sich unter dem Banner eines primitiv interpretierten Islams Hunderttausende gegen den Westen, vor allem gegen die USA erheben. (Wir übersehen dabei keinesfalls die vielen Primitivinterpreten unter den ChristInnen im Westen.)

Die Forderung, das Irak-Problem müsse durch die UNO und nicht durch eine Großmacht mit kleiner Allianz gelöst werden, kann mit gutem Grund von ehrlichen und nicht ganz so ehrlichen deutschen und französischen (und vielen anderen) BürgerInnen befürworten werden, auch wenn ihre Regierungen alles daransetzen, die eigentlichen Ziele zu verschleiern.

Kriege werden nicht nur mit „heißen“, sondern auch mit medialen Waffen geführt. Mit unserem Schwerpunkt in diesem Monat widmen wir uns erneut dem Medienthema – allerdings geht es diesmal weder um die Macht der Massenmedien noch um die manipullativen Verflechtungen zwischen Medien und Politik. Vielmehr lenken wir unseren Blick auf die Medien als potenzielle Gegenmacht, sprich auf ihre Nutzung durch soziale Bewegungen. Es liegt auf der Hand, dass dieses Unterfangen angesichts der Komplexität des soziologischen Lieblingsthemas „Medien“ und angesichts der zahlreichen unterschiedlichen Bewegungen, die in Lateinamerika im Moment wieder äußerst rührig sind, ein ganz schön dicker Hund ist.

Wir haben versucht, aus dieser vernetzten, verdrahteten und verkabelten Vielfalt einige besonders nett blinkende Projekte herauszupicken. Das können „traditionellere“ Medien wie Radio oder Video sein oder auch der vielbeschworene Hoffnungsträger Internet. Immerhin war das Internet während des Kosovokrieges 1999 der Mediensektor, den die Nato mit ihrem „Informationskrieg“ am wenigsten erfolgreich zu beeinflussen wusste – so lautet zumindest die Einschätzung einer jüngst in Schweden erschienenen Studie des dortigen „Amts für psychologische Verteidigung“.