Vor 20 Jahren, am 19. Oktober 1983, ermordeten grenadinische Militärs den revolutionären Ministerpräsiden ten ihres Landes, Maurice Bishop, und außerdem mehrere Regierungsmitglieder, die beiden wichtigsten Gewerkschaftsführer und zahlreiche DemonstrantInnen.
Damit war die Revolution in Grenada, die am 19. März 1979 begonnen hatte, definitiv zu Ende. Zuvor hatte eine Fraktion in der Regierungspartei um den stellvertretenden Ministerpräsidenten Bernhard Coard versucht, den populären Regierungschef zu entmachten, und ihn unter Hausarrest gestellt. Ein Sturm der Entrüstung war darauf unter den knapp 100 000 EinwohnerInnen des Karibik-Eilands ausgebrochen. Tausende waren auf die Straße gegangen und hatten Maurice Bishop aus dem Hausarrest befreit. Es herrschte Volksfeststimmung in der Hauptstadt St. George’s. Kurz bevor Bishop zur Menge sprechen sollte, begannen die Militärs das Massaker. Die Menschen hatten sich von diesem Schock noch nicht erholt, als die USA auch schon angriffen und die 344 Quadratkilometer große Insel besetzten. Gerade einmal fünf Tage waren nach dem Massaker vergangen, und bis heute ist nicht klar, ob und wie weit die USA die Eskalation selbst herbeigeführt hatten. Es gibt Hinweise darauf, dass die Vorbereitungen zur Invasion bereits vor Bishops Arretierung begonnen hatten. In den folgenden zwölf Monaten zerstörte die Besatzungsmacht alles, was die revolutionäre Regierung in viereinhalb Jahren an Projekten initiiert und zusammen mit großen Teilen der Bevölkerung umgesetzt hatte.
Kaum jemand hatte sich den Invasionstruppen entgegengestellt. Nicht wenige hofften sogar, dass nun goldene Zeiten für Grenada anbrechen würden. Würde nun nicht ein Dollarsegen aus Hilfsgeldern und Investitionen auf die Insel niedergehen, wenn die mächtigen USA sich schon die Mühe machten einen Zwergstaat wie Grenada zu besetzen? Der damalige US-Präsident Ronald Reagan ließ sich sogar für ein paar Stunden einfliegen, um bei einer Rede im Fußballstadion genau dieses zu versprechen. Doch das war nur heiße Luft. Ein paar Hotels wurden von US-Firmen übernommen, andere errichteten einige Maquilas, Fertigungsbetriebe, in denen Waren für den US-Markt zusammengesetzt oder -genäht werden. Doch die machten bald wieder dicht, als anderswo noch billiger produziert werden konnte. Das ganze Geschwätz von der Freiheitsmission, die dort zu erfüllen wäre, kratzte die KapitalistInnen herzlich wenig. Grenada wurde sogar so uninteressant, dass die USA aus Kostengründen 1994 ihre Botschaft auf der Insel schlossen.
Es ist immer wieder dasselbe: Die imperialen Staaten – keineswegs nur die USA – interressieren sich nie wirklich für die Länder, die sie überfallen. Stand vor wenigen Monaten noch die große Mehrheit der US-AmerikanerInnen hinter dem Irakfeldzug ihres Präsidenten, so sieht das heute schon wieder ganz anders aus. In bemerkenswerter Offenheit fragte Mitte September der (konservative) republikanische Senator Ted Stevens, vormals ein engagierter Unterstützer von Bushs Kriegskurs: „Warum müssen wir eigentlich Schulen und Straßen im Irak bauen, wenn wir selbst Schulen und Straßen brauchen?“ Das larmoyante Gejammer über Menschenrechtsverletzungen, Frauendiskriminierung und Armut war tatsächlich nie ernst gemeint gewesen. Es verhalf dem militärisch-industriellen Komplex allerdings zu Aufträgen in Milliardenhöhe.
Grenada steht heute wieder da, wo es vor 1979 stand: eine Insel, die etwas Tourismus hat, einige wenige Agrarprodukte exportiert und alles einführen muss, was im Land gebraucht wird. Und wenn die Präferenzen für karibische Bananen auf dem EU-Markt (privilegierter Marktzugang und garantierte Preise) auslaufen, werden viele Kleinbauern und -bäuerinnen aufgeben müssen. Ein typisch karibisches Los? Wir unternehmen einen Streifzug durch die Karibik und berichten von 21 Inseln im Hurrikan des Neoliberalismus, von Armut, Bankgeschäften, Lebenslust und Widerstand.