Zweitausenddrei war das Jahr der gigantischen Stromausfälle: Mitte August gab es Blackouts im Nordosten der USA und in Teilen Kanadas, kurz darauf in London, im September waren Dänemark, Schweden und Italien dran. In Italien waren zwischen Palermo und Mailand 56 Millionen Menschen einen Sonntag lang ohne Strom. Erklärungsansätze und Schuldzuweisungen machten schnell die Runde: Marode Hochspannungsleitungen in der Schweiz, die böse unberechenbare Natur in Form von Blitz und Donner, die schändliche Abhängigkeit Italiens vom Stromimport, der nur mit Hilfe einer Rückkehr zum Atomstrom beizukommen sei, die überbelasteten Stromnetze aufgrund des erhöhten Verbrauchs im Jahrhundertsommer 2003 usw. Festzuhalten bleibt, dass den MetropolenbewohnerInnen klamm bewusst wurde, wie allein von genügend Energie abhängig ihr – unser – Wohlstandsdasein ist.
Zweitausenddrei war auch das Jahr des Irakkrieges, bei dem der Erdölreichtum des Landes eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hat, wenn auch nicht die einzige. Krisen in der Energieversorgung, Kriege um Energieträger – selten war die Stimmung apokalyptischer, selten wurde deutlicher, wie sehr doch alles mit allem in der globalisierten Welt zusammenhängt und wie komplex dabei die Zusammenhänge und Interessenslagen sind.
In Lateinamerika – wie in allen so genannten Dritte-Welt-Ländern – ist der Segen des Ressourcenreichtums stets auch Fluch gewesen: Zu Zeiten der „Eroberung“ und Kolonisierung waren reichhaltige Gold- und Silbervorkommen Ausgangspunkt einer beispiellosen Ausplünderung, heute sind es u.a. Erdöl- oder Erdgasvorkommen, die Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen und irreparable Umweltschäden nach sich ziehen. In naher Zukunft kommen Verteilungskämpfe, Konflikte, vielleicht auch Kriege um Wasservorkommen und Biodiversität hinzu. Das klingt alles wenig optimistisch. Die Gegenwart gibt auch wenig Anlass dazu. Trotz des heute verfügbaren Wissens um die Begrenztheit der fossilen Energieträger und ihrer schädlichen Umweltwirkungen oder um die tödliche Kapazität des Kamikaze-Energieträgers Atomkraft – ganz zu schweigen von seiner Kollateral-Nutzung für militärische Zwecke – deutet wenig auf ein Umdenken in der Energiepolitik hin. Klimabündnisse, Kyoto-Protokoll, Nachhaltigkeits- und Machbarkeitsstudien füllen Hunderte von Seiten, werden aber oft nur zur Begleitmusik degradiert.
Bei der IWF- und Weltbanktagung in Prag 2000 ging es unter anderem um die Zukunft der weltweiten Öl-Förderung und -Versorgung. Dabei kritisierten Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen zahlreiche von der Weltbank finanzierte Projekte wegen ihrer sozialen und ökologischen Folgen. Daraufhin setzte die Weltbank ein Gremium von Wissenschaftlern ein, das zusammen mit Betroffenen, NRO, Regierungen und Industrievertretern Standards und Vorgehensweisen für zukünftige Projekte erarbeiten sollte. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe unter Leitung des ehemaligen indonesischen Umweltministers Emil Salim wurden Ende Januar 2004 in einem Bericht veröffentlicht, dem „Extractive Industry Review“ (EIR). Eine zentrale Forderung dabei ist, von 2008 an keine Kredite mehr für die Ölförderung zu vergeben und die Finanzierung des Kohlebergbaus einzustellen. Ein weiterer Punkt der Studie thematisiert die Notwendigkeit der Zustimmung von vor Ort Betroffenen, bevor ein Projekt zur Ressourcengewinnung gestartet wird.
Gegenwärtig fördern multilaterale Entwicklungsbanken hingegen hauptsächlich konventionelle Energieprojekte. Die wenigen tatsächlich erneuerbaren Energieprojekte sind meist große Staudämme, die aufgrund ihrer verheerenden sozialen und auch ökologischen Auswirkungen nicht unbedingt als nachhaltig bezeichnet werden können. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mochte zu den Forderungen des EIR keine eindeutige und positive Position beziehen. Eine Stellungnahme der Weltbankgruppe zu den Vorschlägen wird Ende April vorliegen.
Gut einen Monat später, vom 1. bis 4. Juni 2004, wird in Bonn dann die „renewables2004 – Internationale Konferenz für Erneuerbare Energien“ stattfinden, für die BMZ und Bundesregierung schon eifrig die Werbetrommel rühren. Dann wird sich zeigen, inwiefern die bisherige Begleitmusik zur Ouvertüre eines neuen Energiezeitalters wird – oder auch nicht.