In den ersten freien Wahlen nach der mehr als drei Jahrzehnte währenden Trujillo-Diktatur stimmten am 20. Dezember 1962 sechzig Prozent der DominikanerInnen für Juan Bosch, der eine demokratische Verfassung und soziale Reformen ankündigte. Im Februar 1963 trat er sein Amt an und begann die angekündigten Maßnahmen umzusetzen. Viel Zeit hatte er dafür nicht, denn schon am 25. September desselben Jahres wurde er durch einen Militärputsch gestürzt und musste ins Exil fliehen. Für die dominikanischen Großgrundbesitzer und vor allem die US-Regierung waren Boschs moderate Reformen „Kommunismus“ – und der sollte wenige Jahre nach der cubanischen Revolution in Lateinamerika keine Chance mehr bekommen.
Doch der demokratische Aufbruch war mit dem Militärputsch nicht zu Ende. In den frühen Morgenstunden des 24. April 1965 erhoben sich verfassungstreue Offiziere, die so genannten Konstitutionalisten, gegen die Militärjunta. Sie riefen die Bevölkerung zum Aufstand auf. Die Straßen Santo Domingos füllten sich mit Menschen, es wurden Waffen ausgegeben und den Aufständischen gelang es, die Angriffe der Truppen der Militärjunta zurückzuschlagen. Sie forderten die Wiedereinsetzung der demokratischen Verfassung von 1963 und die Rückkehr Boschs ins Präsidentenamt. Als der Sieg der Revolutionäre unmittelbar bevorstand, landeten am 28. April US-Truppen auf der Insel. Doch trotz des Einsatzes von über 20 000 Marines konnten die Aufständischen das Zentrum der Hauptstadt Santo Domingo noch mehrere Monate halten. Erst am 3. September mussten sie schließlich nachgeben. Es kam zur Bildung einer Übergangsregierung, die die Restauration einleitete, an deren Ende die zwölfjährige De-facto-Diktatur Joaquín Balaguers von 1966 bis 1978 stand. Auch wenn danach leidlich demokratische Verhältnisse in der Dominikanischen Republik einkehrten, hat der April 1965 die politische Kultur der Republik nachhaltig geprägt. Der demokratische Aufbruch, der es dem Land ermöglicht hätte, die autoritären Traditionen zu überwinden und eine wirtschaftliche und soziale Modernisierungspolitik einzuleiten, wurde abgewürgt, der autoritäre Klientelismus reinstalliert. Dass heute die von Juan Bosch gegründeten „sozialdemokratischen“ Parteien PRD und PLD in diese Strukturen integriert sind und Regierungen stellen dürfen, ist Teil des dominikanischen Trauerspiels.
Die politische und soziale Realität in der Dominikanischen Republik gehört zu den blinden Flecken in der Wahrnehmung hierzulande. Das gilt auch für Solibewegung und die Lateinamerikaszene. Das ebenso wie Haiti auf der Insel Hispaniola liegende Land wird im deutschsprachigen Raum vor allem wegen zwei Dingen wahrgenommen: Erstens wegen seiner Traumstrände, die den Karibikstaat zu einem der beliebtesten Fernreiseziele der Deutschen werden ließ, und zweitens wegen seiner Musik: Merengue und Bachata haben ihren Ursprung in der Dominikanischen Republik und sind neben der Salsa die beliebtesten Musikstile der FreundInnen lateinamerikanischer Tanzmusik.
Mit der vorliegenden Ausgabe möchten wir zum 40. Jahrestag der Aprilrevolution und der US-Invasion den Blick auf die Dominikanische Republik und ein wenig bekanntes Kapitel der lateinamerikanischen Geschichte lenken. Wie fast alle ila-Schwerpunkte wäre auch dieser nicht ohne Anstöße und Hilfe von außen zustande gekommen. Unser besonderer Dank gilt Hans-Ulrich Dillmann, der den Themenvorschlag für diese ila machte und viele Artikel beisteuerte. Herzlich bedanken möchten wir uns auch wieder einmal bei Klaus Jetz, auf dessen profunde historische und literarische Kenntnisse die ila-Redaktion immer wieder zurückgreift.
P.S. Das Verhältnis der Nachbarstaaten Dominikanische Republik und Haiti ist von tiefem Misstrauen geprägt. In der vergleichsweise wohlhabenderen und „weißeren“ Dominikanischen Republik gibt es viele rassistische Vorurteile gegen die haitianischen MigrantInnen, die in der Landwirtschaft, als Hausangestellte oder der Bauwirtschaft arbeiten. Allerdings haben auch HaitianerInnen in der Aprilrevolution und im Widerstand gegen die US-Invasoren gekämpft. Ihre Namen tauchen nicht in den Geschichtsbüchern auf. Einer von ihnen war Jean Sateur, dessen Grabstein auf dem Titel dieser ila zu sehen ist.