„Exotisches Brauchtum mit geringem eigenschöpferischem Anteil“ – so lautet das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. Mai 2005 über die Kunst einer diplomierten japanischen Teemeisterin aus Hannover, die in die Künstlersozialkasse (KSK) aufgenommen werden wollte und mit diesem Urteil abgewiesen wurde.  Diese Geschichte erzählt uns zweierlei. Zum einen, dass in anderen Länder andere Sitten herrschen. Und ein anderes Verständnis von Kunst. Zum anderen zeigt uns die Geschichte, dass in Zeiten steigenden Outsourcings von Kulturschaffenden eine Mitgliedschaft in der einzigen Institution, die auf einem prekären Markt ein wenig Halt verspricht, immer schwieriger – und teurer – wird. Die Zahl der bei der KSK Versicherten stieg in den letzten zehn Jahren auf das Doppelte. Die Beschäftigungsverhältnisse im Kulturbereich werden aber nicht nur für „Freie“ immer härter. Auch in öffentlichen oder öffentlich geförderten Kultureinrichtungen sind unsichere Zeitverträge, Honorar- oder Werkverträge inzwischen üblich. Und öffentliche Mittel fließen immer spärlicher. Kein Wunder, dass dieser Bereich nun immer wieder als Sektor genannt wird, in dem 1-Euro-JobberInnen tätig werden sollen. Denn Kulturprojekte sind dem herrschenden Verständnis nach immer irgendwie „zusätzlich“, eigentlich nicht nötig und konsequent weitergedacht auch nicht viel Geld wert. Schon jetzt gibt es genügend arbeitslose AkademikerInnen, die in der Hoffnung auf einen Einstieg in den Kulturmarkt für neun Monate einen Ein-Euro-Job übernehmen würden. Die Folgen: noch mehr Lohndumping, auch in der Kultur, und noch weniger feste Stellen in diesem Bereich. Ganz zu schweigen von dem Zwangscharakter dieser Maßnahmen. Der Angriff gilt allen und hat weitreichende Folgen. Komisch, dass sich so wenig Protest dagegen regt.

Aber zurück zum Kunstverständnis. An einer Stelle der vorliegenden ila steht kurz und bündig: „Kunst ist das, was für Kunst gehalten wird“. Das klingt pragmatisch und wenig elitär. Doch gibt es auch hier wiederum offizielle, dem herrschenden Diskurs verpflichtete Einschätzungen und inoffizielle. Wir scheren uns nicht um das offizielle Kunstverständnis, sondern porträtieren Kunstschaffende lateinamerikanischer Herkunft in Deutschland unabhängig von (kommerziellem) Erfolg oder offizieller Anerkennung. Uns war vielmehr wichtig, dass diese KünstlerInnen spannende Geschichten zu erzählen haben und sich in unsere Gesellschaft einmischen. Wir wollten den bekannteren und unbekannteren Kunstschaffenden der lateinamerikanischen Diaspora in diesem ila-Schwerpunkt endlich einmal einen gebührenden Raum schaffen. Hoffentlich fern von „ist alles so schön bunt hier“ oder schwärmerischen Exotik-Peinlichkeiten.

Apropos Exotik: Im Juni soll im Augsburger Tierpark ein afrikanisches Dorf mit Kunsthandwerkern, Korbflechtern und Zöpfchenflechtern entstehen. „Der Augsburger Zoo ist genau der richtige Ort, um die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln“ rechtfertigt Zoodirektorin Janschke das Vorhaben, das an die kolonial-rassistische Praxis der Völkerschauen in deutschen Zoos um die vorletzte Jahrhundertwende anknüpft. Geschmackloser geht’s wohl nicht.

Aber genug der Horrorgeschichten. Zeit für Danksagungen: Ohne die tatkräftige Unterstützung aus der lateinamerikanischen community wäre diese Ausgabe nicht zustande gekommen. Ein dickes Dankeschön an dieser Stelle an Esther Andradi, Luis Cruz, María Virginia González Romero, Walter Lingan, Julio Mendívil und die compañer@s von Krisálida.