Bei unseren Recherchen zum lateinamerikanischem Kino stießen wir auf folgende Behauptung: „Wenn hierzulande lateinamerikanische Filme laufen, sitzen im Publikum relativ viele Langhaarige.“ Männer versteht sich. Sind die Liebhaber des lateinamerikanischen Films nun in den 70ern stehen geblieben, ästhetisch wie politisch? Sind das alles Naturburschen? Oder gar androgyne Grenzgänger zwischen derZwangszweigeschlechtlichkeit? Vielleicht sollte man dieses Merkmal nicht überbewerten, diese Jungs gefallen sich so einfach besser. Die Form lässt nicht zwangsläufig auf den Inhalt schließen.
Das Spannungsverhältnis zwischen Form und Inhalt spielt im Film – genau wie bei jeder anderen Kunstgattung auch – eine wichtige Rolle. Schlaue Köpfe überlegen sich Konzepte, die manchmal auch greifen und die Kunst revolutionieren. Ein in dieser Hinsicht recht erfolgreiches Konzept war die Dogma 95-Bewegung unter Federführung des dänischen Filmemachers Lars von Trier. Vor gut zehn Jahren hatte das Dogma-Manifest die Rückkehr zur direkteren, „natürlicheren“ Wiedergabe der Realität im Film gefordert. Dazu gehörten formale Kriterien wie z.B. der Verzicht auf Beleuchtung und Musik oder der Gebrauch der berühmten – meist verwackelten – Handkamera. Aber auch inhaltliche Kriterien wurden festgelegt. Die besten Zeiten von Dogma sind mittlerweile vorbei. Interessant sind aber die regionalen Folgewirkungen, z.B. die Spuren dieser Bewegung in Lateinamerika. So gibt es in Brasilien die Feijoada brasileira. Die Feijoada, eigentlich das brasilianische Eintopfgericht aus schwarzen Bohnen, Wurst, Speck und Fleisch, bezeichnet hier eine Art Kino, das die herrschenden Filmkonventionen in Frage und die unter- bzw. verzerrt repräsentierte afrobrasilianische Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt. Der Filmemacher Jeferson De stellte 1999 sieben Regeln der Feijoada auf. Sie fordern u.a., dass Regisseur/in, ProtagonistInnen und Thema des Films afrobrasilianisch sein sollten, dass jegliche Stereotype verboten sowie Superhelden und Oberbösewichte vermieden werden sollten.
Nun sind in den letzten fünf Jahren viele Filme mit afrobrasilianischen DarstellerInnen entstanden, von Unterrepräsentation kann im Moment keine Rede sein. AfrobrasilianerInnen sind hip. KritikerInnen bemängeln jedoch die nach wie vor herrschende Aura des „Besonderen“. So meint Jeferson De z.B. zum überaus erfolgreichen Cidade de Deus von Fernando Meirelles: „Ein Haufen Kinder, die alle bewaffnet sind und sich gegenseitig umbringen – das ist nicht die Realität der meisten schwarzen Kinder in Brasilien.“ Von Meirelles ist Ende Januar übrigens Der ewige Gärtner in die Kinos gekommen. In dem Politthriller werden die kriminellen und menschenverachtenden Machenschaften von Pharmakonzernen in Afrika aufgezeigt.
Die Verfilmung eines Romans des Bestsellerautors John Le Carré hat jetzt vier Oscar-Nominierungen einheimsen können. Der Romanautor hatte umfangreich recherchiert, wobei er auf die BUKO-Pharmakampagne in Bielefeld gestoßen war. Sie taucht nun in Buch und Film als Initiative HIPPO auf, deren AktivistInnen eine wichtige Nebenrolle spielen. Der Film habe das Potenzial, „eine große Öffentlichkeit für entwicklungspolitische Inhalte zu interessieren“, meint die BUKO-Pharmakampagne. Sie schlägt vor, den Film für die entwicklungspolitische und pharmakritische Arbeit in Deutschland zu nützen und Informationsveranstaltungen zusammen mit Kinobetreibern vor oder nach Vorführung des Films zu organisieren. Dabei bietet sie ihre Unterstützung an (Kontakt und Infos: www.bukopharma.de).
Selbst wenn Der ewige Gärtner von seiner Machart eher Hollywood denn Dogma oder gar Feijoada ist – der Film setzt sich mit unbequemen Realitäten auseinander. Und er ist ganz schön spannend. Und emotional berührend. Auch für Langhaarige geeignet!