Derzeit hat das Thema „Biotreibstoffe“ Konjunktur. Der Name ist irreführend. Die landwirtschaftlich erzeugten Kraftstoffe haben nichts mit Ökolandbau zu tun. Im Gegenteil, gerade bei Kulturen für die Treibstoffproduktion setzt das Agrobusiness verstärkt auf Gentechnik, weil dort der Widerstand wesentlich geringer ist als bei Nahrungsmitteln. Bio ist längst nicht Bio. Via Campesina, der internationale Dachverband der kleinbäuerlichen Organisationen, schlägt die Bezeichnung „Agrotreibstoffe“ vor, was uns überzeugend erscheint, weswegen auch wir diesen Begriff vorziehen.
Seit nicht mehr bestritten werden kann, dass der Einsatz fossiler Rohstoffe für die Erderwärmung und deren Folgen verantwortlich ist, wird die Herstellung von Treibstoffen aus Pflanzen als ein möglicher Königsweg zur ökologischen und nachhaltigen Energieerzeugung proklamiert. Doch während die einen den Agrokraftstoffen und den Bauern/Bäuerinnen eine glänzende Zukunft prognostizieren, warnen Umweltverbände und kleinbäuerliche Organisationen vor den Folgen eines rasant wachsenden Anbaus von Pflanzen für die Treibstofferzeugung. Werden für den Ausbau derartiger Plantagen Wälder gerodet, wie derzeit etwa in Malaysia (Ölpalmen) oder Argentinien (Soja), ist das für das Klima wesentlich schädlicher als der Nutzen, den der geringere CO2-Ausstoß der landwirtschaftlich erzeugten Treibstoffe bedeutet. Wenn für die Ausweitung der Pflanzungen kleinbäuerliche Gemeinschaften von ihrem Land vertrieben werden und die Preise für Nahrungsmittel steigen, ist das eine soziale Katastrophe für die ländlichen und städtischen Armen.
Ist die Produktion von Agrotreibstoffen nun sinnvoll oder nicht? Bei der Arbeit an dem Schwerpunkt wurde uns klar, dass es einfache Antworten auf diese Frage nicht gibt. Schon die oben erwähnte Möglichkeit steigender Preise für Agrarprodukte wegen der verstärkten Nachfrage nach Agrokraftstoffen kann für die städtischen Armen bedrohlich, für kleinbäuerliche ProduzentInnen aber ein Segen sein, weil die niedrigen Erzeugerpreise der letzten Jahre ihnen kaum das Überleben sicherten. Ein Autor dieses Heftes meint, dass es sinnvoll sei, wenn die hochsubventionierten Landwirtschaften der EU und der USA Agrokraftstoffe anbauten, anstatt ihre Überproduktion von Nahrungsmitteln zu Dumpingpreisen auf den Weltmarkt zu werfen und damit die Agrarstruktur in Ländern des Südens kaputt zu machen. Es sei aber widersinnig, wenn Mexiko – wo ohnehin zu wenige Nahrungsmittel produziert würden – jetzt beginne, ebenfalls Pflanzen für die Diesel- bzw. Ethanolproduktion anzubauen.
Ein anderer Beitrag dieses Heftes zeigt auf, dass rechtsextreme Paramilitärs in Kolumbien afroamerikanische Gemeinden von ihrem Land vertreiben, damit Großgrundbesitzer auf diesen Feldern Ölpalmen anbauen können. Die vertriebenen Kleinbauern und -bäuerinnen verlieren durch den Ölpalmenanbau ihre Existenzgrundlage. Dagegen stellt das Agrodieselprogramm der Regierung Lula eine wirtschaftlich interessante Option für 600 000 kleinbäuerliche Familien in Brasilien dar, die Rizinus in Mischanbau mit Bohnen anbauen.
Doch unabhängig davon, ob der Anbau von Energiepflanzen im konkreten Fall sozial sinnvoll oder problematisch ist, eines ist völlig klar: Mit Agrokraftstoffen kann das gegenwärtige Transportmodell nicht aufrechterhalten werden. Soviel Treibstoff kann aus pflanzlichen Rohstoffen nicht annähernd erzeugt werden. Selbst wenn die USA auf ihrer gesamten Nutzfläche entsprechende Kulturen hätten, könnten damit gerade einmal zwölf Prozent des Energiebedarfs des Landes gedeckt werden. Das heißt, wir brauchen eine grundsätzlich andere Transportkultur. Natürlich muss da auch der private Konsum bei Auto- und Flugverkehr thematisiert werden, aber darauf darf es sich nicht beschränken, wie es in der öffentlichen Debatte meist geschieht.
Während in Talkshows beim Schwadronieren über die Größe der Dienstwagen von PolitikerInnen kritische Haltungen simuliert werden, wird der Energie-Verbrauch und CO2-Ausstoß der Armeen und des militärisch-industriellen Komplexes konsequent verschwiegen. Ein Autor weist in dieser ila darauf hin, dass das Pentagon und die US-Streitkräfte zu den größten VerursacherInnen von CO2-Ausstoß überhaupt gehören, sie produzieren so viel Kohlendioxid wie ganz Schweden. Was für die US-Army gilt, trifft genauso für alle anderen Armeen zu. Darüber muss endlich geredet werden. Genauso wie über die Unmenge völlig unsinniger Warentransporte, zunehmend sogar per Luftfracht. Dieses System ist krank, und Agrotreibstoffe werden es nicht gesund machen.