Wie immer im Juli ist auch die vorliegende ila einer lateinamerikanischen Großstadt gewidmet, diesmal einer, über die hierzulande wenig bekannt ist: San Salvador, die Hauptstadt des mittelamerikanischen Staates El Salvador. Seit dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1992 ist das Land aus den Schlagzeilen verschwunden, der schwierige Weg zum Frieden ist für die großen Medien offensichtlich deutlich weniger interessant als kriegerische Auseinandersetzungen. Wenn in den letzten Jahren überhaupt etwas über San Salvador zu sehen, hören oder lesen war, waren es entweder Berichte über Naturkatastrophen (Erdbeben, Überschwemmungen) oder über die Maras, die Jugendbanden. Alles Phänomene, die die Stadt wenig attraktiv erscheinen lassen und dazu führen, dass sich nur wenige westliche TouristInnen nach San Salvador verirren.
Zwei Jahrzehnte Repression und Krieg haben der Stadt ihren Stempel aufgedrückt. In den siebziger Jahren hatte sich vor allem in den armen Vierteln San Salvadors eine politische Massenbewegung entwickelt, gegen die das damalige Militärregime mit äußerster Repression vorging. Menschen wurden reihenweise ermordet, ihre toten Körper als Abschreckung irgendwo im Viertel abgelegt. Für politisch aktive junge Leute wurde es fast unmöglich, in San Salvador zu leben. Sie standen vor der Alternative Tod, Flucht ins Exil oder Anschluss an eine der politisch-militärischen Organisationen, die sich ab 1980 in der FMLN zusammenschlossen. Der Krieg ist zwar seit 15 Jahren vorbei, aber Gewalt ist nach wie vor ein großes Problem in San Salvador, die Angst ist keineswegs verschwunden. Nach Lesart der Regierung und der veröffentlichten Meinung sind dafür vor allem die Jugendbanden verantwortlich. Ursprünglich von aus den USA abgeschobenen Jugendlichen gebildet, sind die Maras heute in ganz El Salvador, aber auch den anderen mittelamerikanischen Staaten präsent. Ihre Bandenkriege, Überfälle und Schutzgelderpressungen verunsichern die Leute. Deshalb gehen viele der Propaganda der rechtsextremen ARENA-Partei auf dem Leim, die verspricht, durch eine „Politik der harten Hand“ mit dem Problem der Maras aufzuräumen.
Natürlich löst die Polizeigewalt gar nichts und führt nur dazu, dass sich die Jugendlichen aus den ärmeren Barrios heute von Maras und von der Polizei bedroht fühlt, weil letztere fast alle Jugendliche aus Armenvierteln verdächtig findet und es immer wieder zu Übergriffen und Morden durch die Sicherheitskräfte kommt. Als wären die Gewalt und eine prekäre ökonomische Situation nicht genug, sind die EinwohnerInnen San Salvadors immer wieder mit Erdbeben und Überschwemmungen konfrontiert. Beides führt regelmäßig zu Todesopfern und zerstört den Leuten das wenige, das sie haben. Zwar sind Überschwemmungen und Erdbeben Naturkatastrophen, aber ihre schlimmen Folgen sind immer auch Ergebnis einer Regierungspolitik, die sich nur an privaten Interessen orientiert.
Doch San Salvador besteht nicht nur aus Gewalt oder sozialen und ökologischen Problemen. Es gibt auch Positives zu berichten. Nunmehr in der vierten Legislaturperiode regieren in San Salvador linke Stadtoberhäupter, seit dem letzten Jahr erstmals eine Bürgermeisterin, Violeta Menjívar von der FMLN. Die aus der ehemaligen Guerilla hervorgegangene Partei dominiert nicht nur im Zentrum, sondern auch in den meisten Vorstädten der Area Metropolitana de San Salvador (AMSS) und versucht dort eine andere Politik umzusetzen. Das geht nicht ohne Fehler und Widersprüche, natürlich ist nie genügend Geld da und letztlich hat die Zentralregierung das Sagen, und die wird von der rechtsextremen ARENA gestellt.
Auch wenn kaum öffentliches Geld für Kultur ausgegeben wird, gibt es zahlreiche Theatergruppen, innovative AutorInnen, ein spannendes Kunstmuseum. In einer Stadt, wo die Shopping-Malls als Inbegriff des Fortschritts gelten und private werbefinanzierte Radio- und TV-Kanäle das Massenbewusstsein bestimmen, haben es kritische kulturelle Initiativen schwer, aber sie existieren und verschaffen sich Gehör.
Wie so viele Schwerpunkte wäre auch dieser nicht ohne Hilfe und Beratung von außerhalb der Redaktion zustande gekommen, diesmal gilt unser besonderer Dank Anne Hild und Helene Kapolnek.