„Enteignet Springer“ war eine der Forderungen des demokratischen Aufbruchs im Jahr 1968. Das Presse-Imperium des Axel Cäsar Springer galt der bundesdeutschen außerparlamentarischen Opposition als Gefahr für die Demokratie. Ähnlich wie der Hugenberg-Konzern in den zwanziger Jahren. Dessen Medien hatten einen beträchtlichen Anteil an der Zerstörung der Weimarer Republik und am Aufstieg des Nationalsozialismus.

Im Vergleich zu der Medienmacht, über die heutzutage die Familie Marinho (O Globo) in Brasilien oder die Cisneros in Venezuela verfügen, nahm sich das Springer-Imperium in den sechziger Jahren in der Bundesrepublik regelrecht bescheiden aus. Letzteres beherrschte zwar den Pressemarkt, nicht aber die elektronischen Medien.

Die erste Frage ist: „Wer kontrolliert die Medien heute?“ Es sind ganz wenige Unternehmensgruppen, die mit ihren Medien Geld verdienen und die politischen Entscheidungen gemäß ihren Interessen beeinflussen wollen. Konzerne wie O Globo in Brasilien oder Televisa in Mexiko verfügen in ihren Herkunftsländern über eine marktbeherrschende Stellung. Längst konzentrieren sich ihre Aktivitäten aber auch auf andere lateinamerikanische Länder und sogar auf die USA: Televisa kontrolliert in den Vereinigten Staaten wichtige spanischsprachige Radio- und TV-Kanäle, die Cisneros-Gruppe gehört über ihre Mehrheitsbeteiligung an AOL zu den Eigentümern des US-Nachrichtenkanals CNN. Daraus ergibt sich die zweite Frage, nämlich: „Was bedeutet die geballte Medienkonzentration für demokratische Entscheidungsprozesse?“ Die politische Macht der genannten lateinamerikanischen Medienmogule wird häufig mit der des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi verglichen. Der hatte mittels seiner Fernsehkanäle, Radiostationen und Printmedien den eigenen politischen Aufstieg organisiert. Gleichzeitig setzte er seine Medienmacht ein, um Gerichtsentscheidungen zu beeinflussen und sich und seine Unternehmen faktisch außerhalb der Justiz zu stellen.

Es heißt, in Brasilien könne niemand gegen O Globo regieren. Das scheint auch Präsident Lula da Silva so zu sehen. Er versucht jeden Konflikt mit dem Medienkonzern zu vermeiden. Der Fernsehgigant Televisa hat 2006 in Mexiko seine ganze publizistische Macht eingesetzt, um einen Wahlsieg der moderaten Linkspartei PRD und ihres Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador zu verhindern. Und Venezuelas mächtige private Fernsehkanäle begnügten sich nicht nur mit Hetze gegen Präsident Chávez, sondern beteiligten sich aktiv an der Vorbereitung und Durchführung des Putschs gegen die verfassungsmäßige Regierung im Jahr 2002.

Das führt uns schließlich zur dritten Frage: „Was können die linken emanzipatorischen Kräfte und diesozialen Bewegungen tun, um die Medienmacht der Konzerne zu brechen?“
Der Vorschlag der bundesdeutschen 68er wurde eingangs schon zitiert. Dem folgte in gewisser Weise Hugo Chávez, als er im Juni dem am Putsch beteiligten Fernsehsender RCTV nach Auslaufen der entsprechenden Verträge die terrestrischen Frequenzen entzog und sie einem öffentlichen Kanal zuwies. RCTV sendet inzwischen über Kabel und Satellit; dennoch war in den westlichen Medien das Geschrei groß: Die Regierung Chávez schließe Fernsehsender, die Pressefreiheit in Venezuela sei in Gefahr.

Alle, die für Lateinamerika ein Fernsehen wollen, das mehr bringt als Telenovelas, Spielshows, Sensationsberichterstattung und Unternehmerpropaganda, werden über kurz oder lang in Konflikt mit den privaten Medienmoguln geraten. Da die terrestrischen Frequenzen begrenzt und längst alle vergeben sind, wird es besseres Fernsehen in Lateinamerika nur geben können, wenn weitere Frequenzen von Kommerzkanälen an öffentliche Sender übergehen. Gemeint sind nicht staatliche Kanäle, sondern öffentlich-partizipative, wobei letztere in Lateinamerika noch ein Schattendasein fristen.

Wir haben in dieser ila Beiträge versammelt, die die Medienlandschaft in Lateinamerika darstellen und untersuchen, wie die mediale Konzentration demokratische Prozesse auf dem Subkontinent beeinflusst. Natürlich fragen wir auch nach Alternativen, obwohl sie vor allem im kapitalintensiven Fernsehgeschäft rar gesät sind. Aber mit dem Nachrichtenkanal Telesur gibt es erstmals den Versuch, in Lateinamerika einen überregionalen TV-Sender zu schaffen, der in echte Konkurrenz zu privaten Kanälen, konkret zu CNN tritt. Aber bis zu den anderen Medien des Herrn Keuner ist es noch ein weiter Weg.