„Feiern wir die Wahl des ersten schwarzen Präsidenten in der Geschichte der USA“ war im November 2008 auf einem Plakat zu lesen, das an der Tür eines Bonner Afro-Shops hing. Bestimmt lief auf dieser Party zu Ehren von Barack Obama auch der Tanzhit aus der Elfenbeinküste mit dem vielsagenden Titel „Guantánamo“. Richtig gelesen. Der ivorische DJ Zidane hat 2006 ein Lied komponiert, das die Inhaftierung und Folterpraxis in dem berüchtigten Gefangenenlager kritisiert. Passend zum Liedtext ist ein eigener Tanzstil kreiert worden, in dem satirisch überspitzt die Situation der Gefangenen dargestellt wird – überkreuzte Arme vorne, überkreuzte Arme hinten, gebückter Gang. Eine Geschmacklosigkeit? Vielleicht, aber auch Zeitgeist und künstlerische Freiheit. Nun scheint das Lager ja bald endgültig Geschichte zu sein, wie wir in den letzten Wochen überall lesen durften.
Bei all dem Überschwang lässt der kritische Kommentar eines klugen Bloggers inne halten. Brandt Goldstein, Gastprofessor an der New York Law School merkt an, dass Obamas Akt per Exekutivorder, also mit einer einzigen Unterschrift das Lager schließen zu lassen, genauso einfach wieder rückgängig gemacht werden kann. Besser wäre ein vom Kongress beschlossenes Gesetz, das dieses menschenverachtende Gefängnis endgültig abschaffen würde. Ganz zu schweigen von den anderen geheimen Lagern auf der ganzen Welt, die ebenso Bestandteil des „Systems Guantánamo“ sind.
Nun ja, wollen wir mal nicht zu viel in die Suppe spucken, Obamas erste Amtshandlungen und das Tempo, das er dabei vorlegt, sind schon beeindruckend. Schön und glamourös auch die Amtseinführung, Michelle Obamas individuell-eleganter Stil und Baracks Eigenschaften als guter Papi, der anderen Vätern ins Gewissen redet, wie bei seiner viel diskutierten Ansprache zum Vatertag, wo er das „Fehlen zu vieler Väter in zu vielen Leben und Heimen“ kritisiert hat.
Wenn diese ila-Ausgabe erscheint, werden alle hollywoodesken Elemente des Regierungswechsels schon wieder verblasst sein. In der Zwischenzeit zeichnet sich ab, dass in vielen wichtigen Bereichen größtenteils Kontinuität angesagt ist. Das betrifft den „Kampf gegen den Terror“ (Pakistan, Afghanistan) und weitere Bereiche der Außenpolitik. Uns interessieren natürlich die möglichen Veränderungen, die auf Lateinamerika zukommen werden, sei es in der militärischen Zusammenarbeit mit Kolumbien oder Mexiko, im Hinblick auf Freihandelsabkommen, in Einwanderungsfragen oder im (gespaltenen) Verhältnis zu denjenigen lateinamerikanischen Ländern, die dem neoliberalen Washington Consensus explizit den Kampf angesagt haben und eigenständige Wege beschreiten.
Bei der Euphorie über Obamas angekündigten „grünen Wandel“, seine Pläne, die US-amerikanische Wirtschaft mit Hilfe von alternativen Energien in Schwung zu bringen und umzukrempeln, wird häufig übersehen, dass damit auch und vor allem die Produktion von Agrotreibstoffen gemeint ist. Ihre negative Energiebilanz, ihre Konkurrenzstellung zur Lebensmittelproduktion, was Flächen, Wasser und Nährstoffe betrifft, sowie die hinreichend dokumentierten Menschenrechtsverletzungen, die im Zuge der Flächenausweitung dieser Monokulturen begangen werden (z.B. in Kolumbien oder Paraguay), werden dabei geflissentlich übersehen.
Die neue Administration hat weitere Subventionen für diese schädliche Industrie bereits zugesichert. Die Entwicklung von neuen Agrotreibstoffen der sogenannten vierten Generation ist passenderweise auch das Steckenpferd des neuen Energieministers und Nobelpreisträgers Steven Chu. Dabei handelt es sich, wie Chu selber erklärt, um „trainierte Mikroben“ (die mit Hilfe von synthetischer Biologie manipuliert wurden), die jegliche Art von Zucker nicht nur in Ethanol umwandeln sollen, sondern in „Substitute, die Benzin, Diesel oder Kerosin ähneln“. Das sind natürlich komplizierte Zusammenhänge, die in dem ganzen Geschwurbel vom „Wandel“ nicht rüberkommen.
Die neue Ära Obama – mit ihrer positiven Energie und den noch nicht enttäuschten Hoffnungen – bietet allerdings auch Chancen. Viele Basisorganisationen wollen die Gunst der Stunde nutzen: „Nicht nur Wandel, sondern Gerechtigkeit“ heißt zum Beispiel eine Kampagne, die für eine neue Lateinamerikapolitik kämpft (http://nacla.org/justicecampaign) Was sie und andere Basisorganisationen von der Obama-Administration erwarten, wird ebenso in der vorliegenden ila dokumentiert. Dafür werden Abhandlungen über Obamas Charme, Eloquenz und Charisma in dieser USA/Lateinamerika-ila fehlen.