Gibt es eigentlich schwule Fußballspieler? Wir meinen nicht die vielen Breitensportler, die sich in schwulen Fußballclubs tummeln, sondern Profis, die sich dazu bekennen. Schwulsein scheint in dieser letzten Bastion der Männer eines der großen Tabuthemen zu sein. So verwundert es auch nicht, dass ein brasilianischer Trainer vor kurzem eine ganz gemeine Strafe für schlechte Leistungen ersonnen hat: Der fußlahme Faulenzer muss beim nächsten Training mit rosa Spaghetti-Träger-Kleidchen, das Prinzessin Lillifee alle Ehre machen würde, auf den Rasen. Das hat sich Roberto Fernandes, der neue Trainer vom brasilianischen Club Figueirense, ausgedacht. Der erste, der sich dem Spott seiner Kollegen aussetzen musste, war Mittelfeldspieler Jairo. Beim nächsten Spiel zeigte er dann wieder Leistungen, die einem ganzen Mann entsprechen. „Sicher eine sinnvolle Idee, die Spieler zum Laufen zu bringen. Denn welcher Spieler will schon im rosa Kleid über das Spielfeld laufen?“ kommentierte die Rheinische Post. Es ist also ganz normal und sinnvoll, einen Mann damit zu bestrafen, dass er sich als Frau oder Schwuler verkleiden muss. Uff, das klingt nach ganz viel Backlash. Wir in der Redaktion haben uns hingegen gefragt, warum sich die gestandenen Mannsbilder, für die nun mal Fußballspieler stehen, so etwas gefallen lassen? War er nicht Manns genug?

Was macht eigentlich den lateinamerikanischen Mann aus? Dass der Lateinamerikaner an sich ein Macho ist, ist ein gängiges Klischee, über das es sich nicht sonderlich zu berichten lohnt. Außerdem haben wir Machos auch hier. Hoch im Kurs stehen hierzulande Komiker, die die Geschlechterdifferenz feiern. Tausende von Fans feiern Mario Barth dafür, dass er mit schlichten Alltagsanekdoten über seine Freundin und mit dumpfesten Klischees vermittelt, dass Frauen und Männer einfach unterschiedlich sind. Und dass wir darüber mal ganz herzlich lachen können. Das scheint ungemein erleichternd zu sein, wo doch heute immer alles in Frage gestellt wird.

Wir halten es nicht mit Mario Barth, sondern finden Fragen zum Geschlechterverhältnis nach wie vor spannend und wichtig. Welche Männerbilder gibt es in Lateinamerika, wie werden sie hinterfragt und wie steht es um Alternativkonzepte zur hegemonialen weißen Männlichkeit? Wo liegen – historisch bedingte – Besonderheiten und was ist spezifisch lateinamerikanisch an den verschiedenen Männlichkeitskonzepten? Und gibt es in Lateinamerika eigentlich auch die Diskussion um Vätermonate? Antworten auf diese Fragen fanden wir bei hauptsächlich lateinamerikanischen AutorInnen, die sich in der Weiterentwicklung von Frauenforschung und Gender Studies mit kritischer Männerforschung befassen, sowie bei Leuten aus der Praxis. Sprich bei Leuten, die sich in oft mühseliger Kleinarbeit mit männlichen Jugendlichen und ihrem Alltag befassen, wie bei der kolumbianischen Nichtregierungsorganisation Taller Abierto. Mit dem Ergebnis, dass die jungen Männer überraschend weitgehend traditionelle Rollenmodelle in Frage stellen.

Solche Initiativen stehen im scharfen Kontrast zu Umfragen, die herausgefunden haben, dass sich männliche Jugendliche (zwischen 10 und 24 Jahren) in neun lateinamerikanischen Ländern viel mehr darum sorgen, wie sie ihre Männlichkeit herstellen und bewahren, als für ihre Gesundheit zu sorgen. Diese Einstellung, so der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), könne in einen frühzeitigen Beginn sexueller Aktivitäten, eine Vielzahl von Sexualpartnerinnen, weniger Intimität und einen größeren Widerstand gegenüber dem Gebrauch von Kondomen münden. Die Alltagserfahrung, dass der Widerstand gegen Kondome überwiegend männlich ist, können auch aktuelle Popstar-Skandale in keinerlei Weise widerlegen … Welche aufgebrachten Reaktionen der Import von Kondomen im Cuba der 80er Jahre noch auszulösen vermochte, gibt in dieser ila der Beitrag zu dem Buch „Machismo ist noch lange nicht tot“ von Monika Krause-Fuchs sehr schön wieder.

Das mit den Vätermonaten haben wir letztlich nicht befriedigend beantworten können. Immerhin konnten wir in Erfahrung bringen, dass es in Brasilien Initiativen gibt, die eine Ausdehnung des aktuellen Vaterschaftsurlaubs von fünf (!) Tagen auf einen Monat fordern. Frau von der Leyen – bitte übernehmen Sie!