Die Suche nach Gold und Silber war eine wesentliche Triebkraft der Eroberung Lateinamerikas durch die spanischen und portugiesischen Conquistadoren. Bereits die Inka und andere präkolumbianische Kulturen hatten Bergbau betrieben und Techniken des Herauslösens der Edelmetalle aus dem Gestein entwickelt. Bergbau hat in Lateinamerika also eine lange Tradition.

Den dort lebenden Menschen brachte der Bergbau allerdings selten Gutes. Lange bevor sie die ersten Plantagen anlegen ließen, zwangen die Kolonialherren die autochthone Bevölkerung – insbesondere der Anden – zur Zwangsarbeit in den Gold-, Silber- und Zinnbergwerken. Später mussten sie als Lohnarbeiter vor allem für britische, US-amerikanische und gelegentlich auch „nationale“ Minengesellschaften schuften. Diese Arbeit war immer gefährlich und extrem gesundheitsschädlich. In den Minenzentren Boliviens werden die Bergarbeiter bis heute selten älter als 50 Jahre, die meisten sterben schon vorher an Staublunge und anderen Berufskrankheiten, sofern sie nicht schon vorher im Berg verunglückt sind. In den Bergbauregionen Boliviens, Chiles oder Perus entstanden schon früh gewerkschaftliche Organisationen; die Mineros schlossen sich zusammen, um für bessere Löhne, Krankenversicherung, Acht-Stunden-Tag und Arbeitsschutz zu kämpfen. Die Bergarbeitergewerkschaften waren über Jahrzehnte das Rückgrat der Arbeiterbewegung in den genannten Ländern, die Bergleute waren immer dabei, wenn die organisierte Bevölkerung Widerstand gegen Diktatur und Tyrannei leistete.

In den letzten beiden Jahrzehnten haben die Minenarbeitergewerkschaften an Bedeutung verloren. Der Bergbau verändert sich rasant. Sicher, es gibt sie noch, die Mineros, die Gold, Silber, Zinn, Zink, Kupfer und anderes aus den Bergen holen. Aber das sind heute oft Kleinbergleute, die auf eigene Rechnung und eigenes Risiko nach Bodenschätzen graben. Die großen Bergwerksgesellschaften fördern Metalle und Kohle überwiegend im Tagebau. Mit modernster Technologie, riesigen Schaufelradbaggern und vergleichsweise wenig Personal werden gigantische Mengen von Gestein bewegt, um an die begehrten Rohstoffe zu kommen. Häufig werden die Metalle mit Hilfe chemischer Substanzen aus dem Gestein gelöst.

Lange Zeit galt die Förderung mineralischer Rohstoffe als notwendiger Devisenbringer und Chance für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region bzw. eines Landes. Doch in den letzten Jahren ist der Bergbau in vielen lateinamerikanischen Ländern in die Diskussion gekommen. Die Kritikpunkte: Nur ein kleiner Teil der durch den Bergbau erwirtschafteten Gewinne verbleibt in den Produzentenländern, die Rohstoffpreise sind starken Schwankungen unterworfen, Arbeitsbedingen und Löhne sind schlecht.

Inzwischen stellen immer mehr soziale Akteure wie indigene Gemeinschaften, Bauernorganisationen oder Umweltverbände den Bergbau und das ihm zugrunde liegende Entwicklungsmodell grundsätzlich in Frage. Vergleichsweise wenigen – schlecht bezahlten – Jobs im Bergbau steht der Verlust der Lebensgrundlagen Tausender von Bauern und Bäuerinnen gegenüber. Durch die im Bergbau verwendeten Chemikalien werden Bäche, Flüsse und Grundwasser verseucht, was neben der Zerstörung landwirtschaftlicher Nutzflächen zu einer massiven Zunahme von Erkrankungen und Missbildungen bei Säuglingen führt. In Küsten und Flussregionen werden die Fischgründe geschädigt und dezimiert.

Wir haben in den letzten Jahren immer wieder über den Widerstand sozialer Organisationen gegen verschiedene Bergbauprojekte in Lateinamerika berichtet. In diesem ila-Schwerpunkt setzen wir uns erstmals grundsätzlich mit dem Bergbau auseinander. Obwohl die ökologischen Kosten immens sind und die Bergbauregionen fast überall arm bleiben, setzen Lateinamerikas Regierungen – egal ob rechte oder linke – weiterhin auf den Rohstoffabbau. Nur dank der darüber eingenommenen Devisen könnte es in den Ländern wirtschaftlich voran gehen, so die offizielle Begründung. Aber über die Bergbaupolitik bestimmen ohnehin immer weniger die Regierungen als die internationalen Minenkonzerne – vorwiegend aus den USA, Kanada und zunehmend auch aus China. Die internationalen Finanzinstitutionen forcieren Investitionen im Rohstoffabbau und stellen die entsprechenden Kredite zur Verfügung.

Neben den industriellen Bergwerken existiert auch der so genannte Kleinbergbau, in dem geschätzte drei bis vier Millionen LateinamerikanerInnen unter meist prekären Bedingungen überleben. Er gehört zur klassischen Armutsökonomie und ist in vielen Fällen ökologisch ebenfalls höchst problematisch. Ob und wie Bergbau in Lateinamerika stattfinden soll und wie er organisiert werden kann, damit Menschen und Umwelt nicht darunter leiden, sind spannende Fragen, die sich die sozialen Organisationen in Lateinamerika stellen. Und die wir auch im Schwerpunkt dieser ila aufwerfen. Na dann, Glück auf!

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