Auf dem Kopenhagener Klimagipfel im vergangenen Dezember wurde der bolivianische Präsident Evo Morales von der Journalistin Amy Goodman gefragt, ob er es für eine Katastrophe halte, dass es bei den zu dem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen UN-Verhandlungen über ein Folgeabkommen des Kyoto-Protokolls voraussichtlich zu „keinem Deal“ kommen werde. Nein, lautete seine knappe Antwort, die Verhandlungen seien sowieso Zeitverschwendung. Zynismus war das nicht, auch nicht Indifferenz gegenüber den Folgen des Klimawandels. Schließlich sind die Auswirkungen der Erderwärmung schon heute in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern zu spüren, und dabei ist Lateinamerika die Region, die nach Afrika am wenigsten Treibhausgase ausstößt. Die Antwort des bolivianischen Staatsoberhauptes spiegelte vielmehr eine realistische Einschätzung der Situation wider. So wie sich der UN-Klimaprozess in diesen Tagen im Dezember entwickelte, hat er sich durch sein Scheitern selbst delegitimiert. Und das 1997 verabschiedete Kyoto-Protokoll enthält ja letztlich nur politische Regeln für das wirtschaftliche Management einer vom Kapitalismus verursachten Krise. Die wahren Herausforderungen der Klimakrise – den Verbrauch von fossilen Energieträgern drastisch einzuschränken, erneuerbare Energien massiv auszudehnen und neue Konzepte für Mobilität und Lebenswandel zu entwickeln – standen von Vorneherein nicht auf der Tagesordnung.
Nachdem dann tatsächlich auch kein Abkommen verabschiedet wurde, in dem sich die Hauptklimasünder zu substantiellen CO2-Einsparungen verpflichten, hat Evo Morales nun folgerichtig für April 2010 zu einem alternativen Klimagipfel in Cochabamba eingeladen, zur Conferencia Mundial de los Pueblos sobre el Cambio Climático y los Derechos de la Madre Tierra. Dort sollen u.a. Vorschläge für neue Verpflichtungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls gesammelt werden (womit sich interessanterweise auf den UN-Prozess bezogen wird), eine „Allgemeine Erklärung der Rechte der Mutter Erde“ diskutiert und verabschiedet werden, ein weltweites Referendum zum Klimawandel eingeleitet sowie ein Aktionsplan für die Errichtung eines Tribunals für Klimagerechtigkeit entworfen werden.
Passend zum Nullergebniss war das harte Vorgehen der dänischen Polizei. Ihr willkürliches Wüten erschwerte die geplanten Protestaktionen unterschiedlichster Couleur. Anfang Februar 2010 befanden sich noch mehr als 15 KlimaprotestlerInnen in dänischer Untersuchungshaft. Ob die Erwartung der norddeutschen Gruppe „Avanti“, dass „die Bitternis sich jetzt eigentlich nur in Frustration oder Rebellion wandeln“ kann, erfüllen wird, bleibt abzuwarten. Sie jedenfalls denken: „Der Tisch für eine Radikalisierung der lokalen Kämpfe ist gedeckt.“
Keine Frage, das Klima verändert sich! Betrachten wir aber lange Zeitreihen, so stellen wir fest: Es hat sich immer schon gewandelt. Wo aber liegt dann das Problem? Die Erwärmung der Meere kann z.B. dazu führen, dass sich einige Pflanzen und Organismen besser ausbreiten als andere, Ökosysteme können dadurch verschwinden. Die Ozeane haben im Bezug auf das Klima aber noch eine weitere Funktion: Sie dienen als große Senken für CO2; bei steigenden Wassertemperaturen können sie nicht mehr so viel speichern. Durch diese Rückkopplung verstärkt sich der Wandel. Von diesen verstärkenden Mechanismen gibt es noch einige mehr: die Methangas freisetzenden Permafrostböden oder die bisher Sonnenlicht reflektierenden Eisschichten an den beiden Polen sind da nur die spektakulärsten Beispiele.
Das Thema ist also höchst komplex und die sogenannte „Staatengemeinschaft“ ist der letzte Akteur, auf den man sich verlassen könnte. Grund genug für die ila, die Klimaveränderungen und ihre Folgen in Lateinamerika genauer anzuschauen und zu fragen, wer die TrägerInnen des Wandels hin zur Klimagerechtigkeit sein könnten. Die Stimmen aus dem Süden waren in Kopenhagen schon besonders laut. Das zumindest freut uns.