In Buenos Aires ist vor kurzem der Spielfilm „El Estudiante“ angelaufen, in dem ein planloser junger Mann aus der Provinz im Milieu der Studentenpolitik an der öffentlichen Universidad de Buenos Aires landet. Der Film hat auf mehreren Festivals Preise gewonnen und das Publikum begeistert. Obwohl der gezeigte Mikrokosmos, inklusive realer Szenen einer Fakultätsbesetzung, recht speziell und sehr argentinisch ist, scheint er auch in anderen Ländern zu funktionieren. Vielleicht auch deshalb, weil er am Puls der Zeit ist, schließlich ist studentische Mobilisierung wieder in aller Munde. In Chile, dem Land mit den teuersten Unis der Welt, protestieren die Studierenden seit nunmehr fünf Monaten für ein besseres und für alle zugängliches Bildungssystem. Erst kürzlich, am 22. September, beteiligten sich in Santiago ca. 180 000 Menschen an der letzten Großdemo.
80 Prozent der chilenischen Bevölkerung steht hinter den Studierenden. Die Bewegung, die an den Grundpfeilern des neoliberalen chilenischen Gesellschaftsmodells rüttelt, strahlt auch auf andere lateinamerikanische Länder aus: Camila Vallejo, eine der sichtbarsten VertreterInnen der Bewegung, trat bereits in Brasilien auf, und in Kolumbien gingen Anfang September landesweit Zehntausende Studierende auf die Straße, um gegen eine Gesetzesreform zu protestieren, die eine weitere Kommerzialisierung des kolumbianischen Bildungssystems vorantreiben würde.
Viele deutsche Studierende möchten nach wie vor eine Zeit lang in Lateinamerika studieren, auch wenn es durch den Bologna-Prozess schwieriger geworden ist, ein oder gar mehrere Auslandssemester unterzubringen. Im November 1997 hatte die ila erstmals ein Schwerpunktheft „Studieren in Lateinamerika“ veröffentlicht (ila 210). Die Ausgabe war damals innerhalb weniger Monate vergriffen, wir haben sie später als kostenlosen Download auf unserer Website zur Verfügung gestellt. In den vergangenen 15 Jahren hat sich im Hochschulwesen in Lateinamerika einiges getan, gleichzeitig haben deutsche Universitäten ihre Austauschprogramme mit lateinamerikanischen Hochschulen ausgebaut.
In zahlreichen lateinamerikanischen Ländern hat es politische Veränderungen gegeben. Die Unzufriedenheit, die zu diesem Wandel geführt hat, machte sich auch an den Unzulänglichkeiten im Bildungs- und speziell im Universitätswesen fest. Dem wurde häufig vorgeworfen, einerseits schlecht zu funktionieren (was u.a. mit der chronischen Unterfinanzierung zusammenhängt), andererseits Kinder aus sozial schwächeren Familien auszugrenzen. Die vielen privaten Universitäten mit ihren hohen Studiengebühren stehen nur den wohlhabenden Schichten offen bzw. treiben die Studierenden und ihre Familien in die Verschuldung. Chile ist dabei nur das eklatanteste Beispiel. Nachdem das Bildungssystem vielerorts zunehmend dereguliert und privatisiert worden ist, engagieren sich in den letzten Jahren einige lateinamerikanische Regierungen wieder stärker in diesem Bereich, schließlich ist gut ausgebildetes Personal als Standortfaktor entdeckt worden. Einige der in die Ämter gekommenen Mitte-Links-Regierungen haben Verbesserungen und eine Stärkung des öffentlichen Hochschulwesens angekündigt.
Um herauszufinden, wie es denn nun tatsächlich ist, „vor Ort“ zu studieren bzw. welche Unterschiede zum deutschen Hochschulsystem ins Auge springen, haben wir für diese ila Studierende befragt und Erfahrungsberichte eingeholt, von deutschen wie lateinamerikanischen Studierenden gleichermaßen; außerdem haben wir Fachleute des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) interviewt. Wir wünschen eine anregende Lektüre!