Langjährige ila-LeserInnen wissen, dass unsere Juli/August-Ausgabe seit vielen Jahren ein „Städteheft“ ist, in dem wir uns dem Leben in jeweils einer lateinamerikanischen Stadt amähern. Die vorliegende Ausgabe ist etwas anders. Zwar beschäftigen wir uns auch diesmal mit Städten, aber nicht mit einer bestimmten, sondern mit Partnerschaften zwischen europäischen und lateinamerikanischen Städten.

In Deutschland gibt es Städtepartnerschaften seit über 60 Jahren. Mit dem Ziel, einen kulturellen und wirtschaftlichen Austausch voranzubringen und etwas für die „Völkerverständigung“ zu tun, wurden diese Initiativen nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt vorangetrieben, in den ersten Jahrzehnten vorwiegend mit europäischen Städten. Jährliche Besuche von Delegationen, gemeinsame Veranstaltungen und Projekte von Schulen, Jugendlichen, KünstlerInnen, Fachkräften, Tanz- oder Theatergruppen füllen diese Partnerschaften mit Leben. Die deutschen Kommunen können auf diese Art und Weise ihr internationales Profil schärfen, da fallen auch schon mal Stichworte wie „kommunale Außenpolitik“ oder „kommunale Entwicklungszusammenarbeit“. Auf jeden Fall wird globalen, sonst wenig beachteten Themen ein Raum geboten, so gab es z.B. im Rahmen der Städtesolidarität Aschaffenburg-Villavicencio schon einmal eine Debatte über das US-amerikanische Drogen- und Aufstandsbekämpfungsprogramm Plan Colombia.

Viele Städtepartnerschaften sind aus Bürgerinitiativen heraus entstanden und in den meisten Fällen werden die Aktivitäten bis heute nicht von den Stadtverwaltungen, sondern von aktiven BürgerInnen und rührigen Vereinen getragen. Knapp zwei Drittel aller deutschen Kommunen, die mit lateinamerikanischen Kommunen „verpartnert“ sind, unterhalten Partnerschaften mit nicaraguanischen Gemeinden, die zu Hochzeiten der Solidaritätsbewegung mit dem sandinistischen Nicaragua ins Leben gerufen wurden. Das ist alles ganz schön verdammt lang her? In der Tat stellte sich uns die Frage, was diese mit Nicaragua verbandelten Vereine aktuell treiben. Eine Vielzahl von ihnen ist heute noch aktiv, die einen mehr, die anderen weniger. Neue Projektbereiche haben sich aufgetan und zum Teil ist es gar geglückt, die Jugend mit an Bord zu holen, wie im Fall des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Corinto/El Realejo, der einen äußerst lebendigen Zirkusaustausch betreibt.

Städtepartnerschaftsvereine agieren an der Schnittstelle zwischen Zivilgesellschaft und institutioneller Politik, manchmal besteht die Gefahr vereinnahmt zu werden, fast immer sind finanzielle und personelle Ressourcen knapp. Andere Initiativen machen eine ähnliche Arbeit, allerdings nicht im Rahmen einer Städtepartnerschaft, sondern als Städte-„Patenschaft“ oder –„Solidarität“, im Rahmen von Hochschulpartnerschaften oder als von offiziellen Stellen komplett unabhängige Projekte, wie der in unserem Schwerpunkt vorgestellte Austausch Qhana Pukara-Kurmi zwischen El Alto (Bolivien) und dem Raum Erfurt.

Und wie machen es die europäischen Nachbarn? In zwei Beiträgen blicken wir über den deutschen Tellerrand und stellen eine belgische und eine italienische Initiative vor. Bei letzterer, dem italienischen Solidaritätsnetzwerk Colombia Vive!, zeigen sich die Auswirkungen der Finanzkrise: 2012 haben mehrere Kommunen aufgrund ihrer dramatischen Finanzsituation ihre Unterstützung des Netzwerks eingestellt.
Allen Beteiligten gemein ist, dass sie KulturbotschafterInnen sind, denen es wichtig ist, Klischees abzubauen und ein tieferes Verständnis für die fernen PartnerInnen zu schaffen. Einige haben sich gar eine „Globalisierung von unten“ auf die Fahnen geschrieben und auch das Konzept des Buen Vivir, des „Guten Lebens“ ist bereits in den Bereich der kommunalen Austauschprojekte vorgedrungen. Ganz nebenbei tragen diese Kooperationen zur viel beschworenen Integration bei, schließlich engagieren sich in den entsprechenden Vereinen häufig binationale Paare bzw. Familien.

Immer wieder sind wir bei der Recherche zu diesem Schwerpunk auf die Floskel „auf Augenhöhe“ gestoßen – aber das sollte doch in einer Partnerschaft selbstverständlich sein! In einigen Beiträgen wird in dieser Hinsicht genau hingeguckt, wo die Hierarchien und Asymmetrien versteckt sind und wie viel Auseinandersetzung und Geduld es kostet, sich einem wirklich partnerschaftlichen Verhältnis anzunähern. Dazu gehört auch die Frage, welche Projekte wirklich zu den Bedürfnissen in den Partnergemeinden passen bzw. überhaupt mit den Mitteln und Personen vor Ort zu stemmen sind, wie unser Beitrag zu Santa Clara (Cuba) zeigt: Trotz besten Willens und interkultureller Offenheit prallten bei einem konkreten Bauvorhaben weit auseinander liegende Vorstellungswelten aufeinander.