Mit mehr als drei Millionen EinwohnerInnen ist Santo Domingo die größte Stadt der Karibik. Von Bartolomeo Colón, dem Bruder des „Entdeckers“ Cristóbal Colón, 1498 gegründet, ist sie zudem die älteste koloniale Siedlung Lateinamerikas. Für die Spanier war Santo Domingo de Gúzman das Laboratorium für die Anlage ihrer Kolonialstädte, wie Miguel D. Mena in der vorliegenden Ausgabe darlegt. Heute ist die Metropole Hauptstadt, Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum der Dominikanischen Republik. Diese erstreckt sich über den Ostteil der Insel Hispaniola, in derem westlichen Drittel die Republik Haiti liegt. Infolge des wirtschaftlichen Niedergangs Haitis in den letzten Jahrzehnten ist die Dominikanische Republik trotz der bedrückenden Armut vieler EinwohnerInnen heute der weitaus wohlhabendere der beiden Staaten und damit auch das erste Ziel der HaitianerInnen, die den elenden Lebensbedingungen in ihrer krisengeschüttelten Heimat zu entkommen suchen. Viele von ihnen kommen naturgemäß in die Hauptstadt des Nachbarlandes, wo sich ihnen am ehesten ökonomische Perspektiven entwickeln. Eines der Barrios Santo Domingos trägt nicht umsonst den Namen Pequeño Haiti. Dort haben sich nicht nur viele der EinwanderInnen niedergelassen. In diesem informellen Sektor hat sich eine von ihnen getragene ökonomische Struktur entwickelt, die von kleinen Textilbetrieben bis zur manufakturellen Produktion der berühmten „naiven“ Gemälde (jedeR Beteiligte malt in der Produktionskette eine Farbe) reicht.
Während die haitianischen Elendsflüchtlinge nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden, werden andere AusländerInnen in der Dominikanische Republik sehr hofiert und man hofft, dass sie noch zahlreicher kommen mögen. Die Rede ist von TouristInnen aus den USA, Kanada und Westeuropa, aber zunehmend auch aus Russland, der Türkei und anderen aufstrebenden Wirtschaftsnationen. Auch wenn Santo Domingo bei den DomRep-UrlauberInnen längst nicht so beliebt ist wie La Habana bei den Cuba-Reisenden, gehört ein Kurztrip in die Altstadt der dominikanischen Metropole und der Besuch der – vergleichsweise wenigen – Zeugnisse der frühen Kolonialzeit doch für viele TouristInnen zum Reiseprogramm.
Wahrscheinlich wissen nur wenige dieser BesucherInnen, dass die Stadt ihren ursprünglichen Namen erst wieder seit 1961 trägt. Davor hieß sie 25 Jahre lang Ciudad Trujillo, was an das dunkelste Kapitel der Landes- und Stadtgeschichte erinnert. Von 1930 bis zu seiner Ermordung am 30. Mai 1961 hatte Rafael Leónidas Trujillo Molina in der Dominikanischen Republik eine der blutigsten Diktaturen in der Geschichte Lateinamerikas und der Karibik errichtet. Nach einem kurzen demokratischen Aufbruch in den Jahren 1962 bis 1965 regierte dann von 1966 bis 1978 Trujillos Vize- und zeitweiliger Marionettenpräsident, Joaquín Balaguer, ähnlich repressiv, auch wenn er sich ein demokratisches Mäntelchen zulegte und regelmäßig wählen ließ – die „zwölf blutigen Jahre“ seiner Regentschaft sind unvergessen. Erst danach etablierten sich langsam demokratischere Verhältnisse, auch wenn die politische Kultur bis heute starke autoritär-autokratische Elemente aufweist.
Wenig bekannt ist auch, dass die Dominikanische Republik trotz der Trujillo-Diktatur Ende der dreißiger, Anfang der vierziger Jahre zu den wenigen Ländern gehörte, die ihre Grenzen für jüdische Flüchtlinge aus Nazideutschland und dem von diesem besetzten Ländern nicht verschloss und so für mehr als tausend europäische Juden und Jüdinnen buchstäblich zum rettenden Ufer wurde.
Aufgrund der Geschichte der Stadt und ihrer heutigen Stellung war es seit langem überfällig, dass die ila Santo Domingo einen Städteschwerpunkt widmet. Dass wir dieses Vorhaben auch tatsächlich realisieren konnten, war nur möglich durch die Unterstützung von Klaus Jetz, Jannis Schulze, Ruby Berger, Miguel D. Mena und ganz besonders von Hans-Ulrich Dillmann. Ihnen allen sei an dieser Stelle ganz herzlich gedankt.
P.S. Wie immer verabschiedet sich die ila nach ihrer „Städteausgabe“ in die Sommerpause. Im August gibt es traditionell kein Heft. Die nächste Ausgabe erscheint um den 11. September, dem 40. Jahrestag des Militärputsches gegen die Regierung Salvador Allende in Chile. Wir wünschen uns und unseren LeserInnen zwei entspannende Sommermonate!