Warum ist die weiche Droge Cannabis verboten und die harte Droge Alkohol ein Genussmittel? Bei dem Vergleich wird klar, dass das Verbot einer Droge nicht vom Grad ihrer Gesundheitsschädlichkeit oder ihres Suchtpotenzials abhängt. Wann ist Drogenkonsum genussvoller Rausch, wann beginnt die Abhängigkeit? Sind unsere Gesellschaften nicht alle mehr oder weniger gedopt, Gesellschaften „auf Speed“ sozusagen, wie schon der kleine Sommerlochskandal um den SPD-Politiker Michael Hartmann zeigte: Er wollte seine Arbeitsfähigkeit mit Hilfe der Modedroge Crystal Meth pushen. Dass sogenannte Leistungsträger oder die „Kreativen“ schon mal koksen, ist nichts Neues. Und dass Amphetamine nicht nur in Designerdrogen stecken, sondern auch im ADHS-Medikament Desoxyn, womit in den USA Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizitstörung ausgepegelt werden, bringt auch nicht mehr Klarheit in die ganze Taxonomie. Fakt ist: Drogen gehören zu unserer Gesellschaft. Politik und Medien legen allerdings Wert darauf, dass die Distanz gewahrt wird: zwischen den Normalen, dazu gehören dann auch die „LeistungsträgerInnen“, und den elenden Abhängigen. Logisch ist die Aufteilung jedenfalls nicht.

Der Konsum von Rauschmitteln ist so alt wie die Menschheit selbst. Stets hatten Regierende einen strategischen Umgang damit. Drogen wurden eingesetzt, um die Belastbarkeit, etwa von Arbeitern im Bergbau oder Piloten im Krieg, zu steigern. Gleichzeitig wurden die Drogen bekämpft, am liebsten mit kerniger Rhetorik und martialischen Spezialtruppen. Anfang der 1970er-Jahre rief US-Präsident Richard Nixon den „Krieg gegen die Drogen“ aus. Was hat der Krieg gegen Drogen gebracht? Zur Veranschaulichung einige Zahlen aus Kolumbien: Zwei Millionen Hektar Anbauflächen sind in den letzten 20 Jahren vernichtet worden, ebenso fast 30 000 illegale Kokainlabore, 1890 Tonnen Kokain wurden in dem Zeitraum beschlagnahmt. Kolumbien ist damit zwar als Kokainlieferant hinter Bolivien und Peru zurückgefallen, doch immer noch wird auf 50 000 Hektar Koka angepflanzt, nach wie vor gibt es Tausende von illegalen Laboren und den – kleinen und großen – Handel, mit all seinen Folgen: Gewalt, überfüllte Gefängnisse, Tote. Alarmiert wird in den Anbauländern festgestellt, dass der War on Drugs den Konsum vor der eigenen Haustür in die Höhe treibt. Schließlich bringen die Blätter des Kokastrauchs viel ein; wenn nicht der internationale Markt Abnehmer ist, dann eben der lokale.

Solange es in Lateinamerika Armut gibt und solange die extrem ungleiche Landverteilung unangetastet bleibt, wird es von der Angebotsseite her immer Nachschub für die illegalen Drogenmärkte geben – in Form von Anbauflächen, Kokabauern, Kleindealern und Mulas (Drogentransporteuren). Woher der Grundstoff für die Droge kommt, ist dem Markt egal, die Nachfrage gibt es sowieso.
Wie auch bei Obst, Wein und anderen Agrarprodukten für den Weltmarkt bleibt die minderwertige Ware für den Konsum im Lande. Die Zwischen- bzw. Abfallprodukte des Kokains werden zur gestreckten, mit Kerosin und anderen giftigen Substanzen vermischten Droge Paco (in Argentinien und Uruguay) bzw. Basuco (in Kolumbien), die aus der Pasta base, der Kokain-Basispaste hergestellt wird. Die Billigdroge wird nicht nur von den unteren Schichten und in den Anbauländern konsumiert, sondern auch in den Transitländern: So ist zum Beispiel in Argentinien und Uruguay seit der großen Wirtschaftskrise 2001 die im Umlauf befindliche Menge an Pasta base beträchtlich gestiegen. Da im Zuge des Kriegs gegen die Drogen die Einfuhr von bestimmten Chemikalien nach Bolivien und Peru eingedämmt wurde, verlagerten sich die Drogenlabore nach Brasilien und Argentinien. Diese Entwicklungen zeigen: Der Krieg gegen die Drogen ist gescheitert.

Längst werden Alternativen diskutiert und zum Teil umgesetzt: Legalisierung, zunächst und vor allem von Marihuana. Damit sollen das erste Glied der Kette – die Kleinbauern, die Cannabis oder Koka anbauen – als auch das letzte Glied – die KonsumentInnen – von der Organisierten Kriminalität abgetrennt werden. Außerdem sollen durch die staatlich regulierte Abgabe Einnahmen generiert (die in Prävention und den Gesundheitssektor fließen könnten) sowie bessere Lebensbedingungen für die Abhängigen geschaffen werden. Allerdings warnte der US-uruguayische Drogenexperte Edgardo Buscaglia schon vor einigen Jahren, dass eine Drogenlegalisierung die Macht der Kartelle kaum ankratzen würde, da sie ihre Geschäftsfelder längst diversifiziert hätten. Diese ernüchternde Einsicht sollte jedoch nicht davon abhalten, Alternativen auszuprobieren. Denn so wie bisher kann es nicht weitergehen.