Im November 2012 begannen in Havanna die Gespräche zwischen den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“ (FARC) und der kolumbianischen Regierung, um eine Friedensvereinbarung zur Beilegung des seit mehr als 50 Jahren andauernden Konflikts zu erzielen. Die für den 23. März 2016 angekündigte Unterschrift unter den Vertrag ist zwar in letzter Minute verschoben worden, aber ein Ende der Verhandlungen ist in greifbarer Nähe. Obwohl offizielle Stimmen bereits davon schwärmen, dass nun die Zeiten des sogenannten Post-Konflikts anbrechen, herrschen nach wie vor äußerst schwierige Bedingungen, insbesondere für Oppositionelle und AktivistInnen. Allein in den ersten Monaten des Jahres 2016 wurden mehr AktivistInnen ermordet als in den gleichen Monaten der Vorjahre. Die rechtsextremen Paramilitärs sind landesweit im Aufschwung und bedrohen die sozialen Bewegungen und die Zivilbevölkerung. Seit der Aufnahme der sogenannten Friedensverhandlungen wurden laut den Vereinten Nationen 305 624 Personen Opfer von Vertreibung und es kam zu 1233 Kriegshandlungen. Besorgniserregend ist weiterhin die hohe Zahl von Verschwundenen. „Trotz der Friedensgespräche dauert die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung an“, folgert der aktuelle UN-Bericht. Kurz: Unter der Regierung Santos hat sich weder die Menschenrechtslage verbessert noch ist der bewaffnete Konflikt entschärft worden. Von Frieden kann darum keine Rede sein.

Bei den aktuellen Verhandlungen steht auch ein Thema auf der Agenda, das zentral für die angestrebte Beendigung des Konflikts ist: Wie umgehen mit den Kriegsgefangenen beziehungsweise den politischen Gefangenen? Wie kann eine Amnestieregelung gefunden werden, die die verschiedenen Gruppen von politischen Gefangenen erfasst? Schließlich ist Kolumbien aufgrund des Jahrzehnte lang herrschenden Konflikts und der erbarmungslosen Verfolgung und Kriminalisierung der sozialen Bewegungen dasjenige Land in Lateinamerika, das verhältnismäßig die meisten politischen Gefangenen aufweist. Politische Gefangene  sind Personen, deren Handlungen sich an emanzipatorischen Motiven orientieren und die aufgrund ihrer politischen Einstellung und Taten, wegen politischer Delikte oder der Mitgliedschaft in illegalisierten politischen Organisationen in Haft sind beziehungsweise deren politische Einstellung oder politische Aktivitäten maßgeblichen Einfluss auf das Strafmaß haben. Mit der angeblichen Demobilisierung der Paramilitärs ab dem Jahr 2008 unter dem Sondergesetz „Justicia y Paz“ wurde versucht, Paramilitärs als politischen Akteuren Amnestien für Menschenrechtsverbrechen zu gewähren. Paramilitärs agieren jedoch nicht als Opposition, sondern als Söldner der konservativen und rechten Regierungen sowie als Handlanger der wirtschaftlichen Oligarchie. Insofern sind gefangene Paramilitärs nicht als politische Gefangene anzusehen.

In den kolumbianischen Gefängnissen herrschen katastrophale Bedingungen – die Überbelegung erreicht in einigen Strafanstalten bis zu 300 Prozent, im Durchschnitt liegt sie bei über 50 Prozent. Die hygienisch untragbaren Zustände in Kombination mit absolut unzureichender Gesundheitsversorgung führen zu Seuchen und Todesfällen aufgrund von heilbaren Krankheiten. Auch absichtlich verdorbenes oder verunreinigtes Essen begünstigt Krankheiten, verschiedene physische und psychische Foltermethoden sind gang und gäbe. Die Strafanstalt La Tramácua in Valledupar wird landläufig gar „der Folterknast“ genannt. Eine Kampagne fordert aktuell die Schließung dieses Knastes, der im Jahr 2000 mit Geldern der US-amerikanischen „Entwicklungshilfe“-Agentur USAID als Bestandteil des Plan Colombia zur Umstrukturierung des kolumbianischen Gefängnissystems erbaut wurde.

Auch wenn das Haftsystem darauf zielt die politischen Gefangenen zu brechen, versuchen sich viele von ihnen dagegen zu wehren. Sie organisieren sich, klagen an und leisten Widerstand hinter den Gefängnismauern. Einige dieser Stimmen aus den Kerkern Kolumbiens kommen in dieser Ausgabe der ila zu Wort.