Verschwendungssucht, Zwangsmaßnahmen, Leben auf unsere Kosten – die Schuldenkrise Griechenlands erhitzte hierzulande zeitweise die Gemüter. Tatsächlich hatte das Land einen sehr geringen Schuldenstand, bis es durch EU-Druck 2008 gezwungen wurde, seine Banken zu retten. Deren Gläubiger und damit Nutznießer der Finanzspritzen waren allerdings kaum Griechen, sondern vor allem Deutsche und Franzosen. Beim Schuldenthema geht es schon um Ökonomie, aber immer auch um dahinterstehende politische Interessen. So fordert etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Schuldenschnitt für Griechenland und manch eineR reibt sich verwundert die Augen. Immerhin hatte der IWF die Strukturanpassungsmaßnahmen weltweit gestaltet, und die europäischen Verträge zum europäischen Krisenmanagement nennen diese ausdrücklich als Vorbild. Als Teil der Troika steht der Fonds für eine strenge Austeritätspolitik. Ein erneuter Schuldenschnitt für Griechenland würde keine anderen Folgen haben als der von 2012, als dem Land zwar mehr als 100 Milliarden Euro erlassen wurden, es hinterher aber höher verschuldet war als zu Beginn der Krise, während die Gläubiger ihren Kaufpreis für griechische Anleihen mit hohen Gewinnen zurückerhielten. Zinsen sollen die verschuldeten Länder zahlen. Wenn sie das nicht mehr können, greift der IWF ein. Schuldenbremsen in Deutschland oder auf EU-Ebene haben nicht den Zweck, eine tatsächliche Rückzahlung der Schulden zu gewährleisten. Vielmehr geht es darum, öffentliche Ausgaben insbesondere in den Bereichen Soziales, Bildung und Infrastruktur zurückzufahren, damit staatliches Geld zur Herstellung eines sogenannten „guten Investitionsklimas“ vorhanden ist, was regelmäßig zu höherer Verschuldung führt. Mit Verschuldung wird überall auf der Welt Politik gemacht.
Deshalb wird in der öffentlichen Diskussion meist verschwiegen, dass Staatsschulden ganz normal, dem Kapitalismus inhärent sind. So weisen auch wirtschaftlich prosperierende Länder wie Deutschland eine hohe Staatsschuldenquote (das Verhältnis von Schuldenstand zu Bruttoinlandsprodukt) auf: Zurzeit liegt sie hierzulande bei etwa 70 Prozent. Zum Vergleich: Japan steht weltweit an erster Stelle mit fast 250 Prozent Schuldenquote, Deutschland liegt an 37. Stelle, weit vor Argentinien an 85. Stelle (55 Prozent, Tendenz steigend). Verschuldung und das stets beschworene Wirtschaftswachstum sind zwei Seiten einer Medaille: Wachstum braucht Kreditaufnahme, also Schulden. Wo es Schuldner gibt, gibt es auch Gläubiger, für die die Schuldverschreibungen Teil ihres Vermögens darstellen.
In den 1980er- und 1990er-Jahren war die lateinamerikanische Schuldenkrise in aller Munde. Zu der Zeit knüpften Weltbank und IWF die Neuvergabe von Krediten an Bedingungen wie Haushaltsdisziplin, Subventionsabbau, Deregulierung, Freigabe von Wechselkursen, Privatisierungen. Im Hinblick auf die aktuelle lateinamerikanische Schuldendebatte hat zuletzt die Regierung Macri in Argentinien mit einem Gesetzentwurf für Aufsehen gesorgt, der die hart umkämpfte Schuldenstrategie der Vorgängerregierungen komplett umgedreht hat: Im März 2016 beschloss das argentinische Abgeordnetenhaus, die Milliardenforderungen der sogenannten Geierfonds zu begleichen – vor allem deshalb, weil die Regierung Macri neue internationale Kredite aufnehmen möchte. Kritische Stimmen befürchten, dass Argentinien erneut auf einen Staatsbankrott wie 2001/2002 zusteuern könnte.
In den letzten zehn Jahren versuchten insbesondere die progressiven Regierungen Lateinamerikas einen anderen Umgang mit der Auslandsverschuldung, sei es durch die Begleichung der Schulden beim IWF, um einen größeren Handlungsspielraum zu erreichen, oder durch die Durchführung eines Prüfungsverfahrens wie in Ecuador oder durch umfangreiche Umschuldungen der Forderungen der Privatgläubiger wie in Argentinien unter den Kirchner-Regierungen. Bei der Begleichung der Schulden beim IWF kamen diesen Regierungen die hohen Einnahmen durch den Boom des Rohstoffsektors zugute. Dies ließe sich heutzutage aufgrund des weltweiten Verfalls der Rohstoffpreise nur schwerlich wiederholen. Wie gehen diese Regierungen aktuell mit ihren Schulden um? Und welche Strategien haben konservative Regierungen, etwa in Mexiko, in den letzten Jahren verfolgt? Diese und weitere Fragen wollen wir in unserem Schwerpunkt „Schulden & Politik“ beleuchten.