In der Jubiläumsausgabe ila 400, die bei unserer jährlich zehnmaligen Erscheinungsweise gleichzeitig auch den 40. Geburtstag der ila bedeutet, greifen wir ein Thema auf, das für uns von Anfang an eine besondere Bedeutung hatte, nämlich die (Mit-) Verantwortung von Unternehmen, speziell deutschen Unternehmen, für die Verletzung von Menschenrechten.

Die weltweite Durchsetzung der Menschenrechte sei das höchste Ziel deutscher Politik, ist immer wieder von unseren PolitikerInnen zu hören. Schaut man sich jedoch die politische Praxis an, etwa die Handelsabkommen, die dieselben Regierungsmitglieder aushandeln und die Abgeordneten ratifizieren, fällt auf, dass diese zwar seit einigen Jahren Menschenrechtsklauseln enthalten, die aber sehr allgemein formuliert sind. Vor allem beziehen sie sich nicht auf die menschenrechtlichen Konsequenzen der Verträge. Unlängst brachte das der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einer Studie bemerkenswert klar zum Ausdruck. Darin heißt es: „Menschenrecht bricht nicht Handelsrecht.“ Das heißt, handelsrechtliche Vereinbarungen bilden den Kern der Abkommen und gelten auch dann, wenn in den Handel treibenden Ländern die Menschenrechte verletzt werden.

Daran hat sich seit den Anfängen der ila wenig geändert. Schon 1976/77 haben wir gegen die Kollaboration deutscher Banken mit der argentinischen Diktatur geschrieben. Später machten wir die Vertreibung von 100 000 Menschen für den Bau des mit deutscher Unterstützung gebauten Sobradinho-Staudamms in Nordostbrasilien zum Gegenstand einer Kampagne. Immer wieder haben wir die Zusammenarbeit deutscher Unternehmen mit repressiven Regierungen kritisiert oder die Kriminalisierung gewerkschaftlicher Arbeit in den Tochterfirmen hiesiger Konzerne. Das waren nicht nur Themen der ila, sondern vieler Gruppen in der Lateinamerika-Solidaritätsbewegung.

Zunächst war es die moralische Empörung darüber, dass viele Unternehmen für ihre Profite buchstäblich bereit waren, über Leichen zu gehen, die uns antrieb. Wir dachten, wenn wir darüber schreiben und viele Leute das lesen, wird sich etwas verändern. Aber es tat sich nichts. Dann begannen Menschen nach Möglichkeiten zu suchen, Druck auf diese Unternehmen auszuüben. Einige kauften eine Aktie der verantwortlichen Konzerne, was ihnen Rederecht auf den Aktionärsversammlungen gab. Dort brachten die „kritischen Aktionäre“ die Fälle vor und stellten unbequeme Fragen. Als die Journalistin Gaby Weber ihre Recherchen zum „Verschwinden“ von Gewerkschaftern im argentinischen Werk von Mercedes-Benz während der Diktatur veröffentlichte, begannen JuristInnen und Menschenrechtsinitiativen an dem Thema zu arbeiten. Am Ende gab es erstmals staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in Deutschland gegen ein Unternehmen wegen Vorkommnissen in dessen Tochterfirma in Lateinamerika. Auch hiesige Gewerkschaften und Betriebsräte reagieren immer häufiger, wenn sie Informationen über die Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten in den Niederlassungen deutscher Konzerne bekommen.

Es gibt weiterhin immer neue Fälle, wo internationale Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich oder mitverantwortlich sind. Doch die davon Betroffenen haben heute mehr Möglichkeiten, um die an ihnen begangenen Vergehen und Verbrechen anzuzeigen, Schadenersatzzahlungen durchzusetzen und zu erreichen, dass Verantwortliche vor Gericht gestellt werden. Hier gibt es sicher noch viel zu tun, aber die Anfänge sind zweifellos gemacht.

Anlässlich unseres Jubiläums möchten wir von der Redaktion uns ganz herzlich bei all unseren LeserInnen und AutorInnen bedanken. Bei den LeserInnen dafür, dass sie uns – teilweise schon über viele, viele Jahre – die Treue halten und bei den AutorInnen für ihre wertvollen Beiträge, ohne die keine Ausgabe der ila erscheinen könnte.

Mit ihnen zusammen möchten wir weiterhin kritisch aus und über Lateinamerika berichten, Menschenrechtsverletzungen und die dafür Verantwortlichen benennen, kulturelle Reflexionen und Werke aus Lateinamerika aufnehmen und hier bekannter machen und den Platz an der Seite derer einnehmen, die für die Herstellung solidarischer Lebensverhältnisse kämpfen!

Nicht weil wir mit dieser Ausgabe ein Jubiläum begehen, sondern weil wieder November ist, liegt dieser und der nächsten ila unser jährlicher Brief mit der Bitte um Unterstützung bei. Um weitermachen zu können, brauchen wir Abos und Spenden und dafür sind wir auch weiterhin auf die Unterstützung unserer LeserInnen angewiesen.