Bewaffnete Konflikte, insbesondere wenn sie sich über Jahre hinziehen, bedeuten unendliches Leid – vor allem für die Zivilbevölkerung der Regionen, in denen gekämpft wird. Dagegen führen sie in den seltensten Fällen zur Veränderung der Strukturen, für deren Überwindung einst die Waffen erhoben wurden. Das gilt für den Konflikt in Syrien genauso wie für die in Sri Lanka, im Kongo oder in Kolumbien. Manchmal gelingt es den Militärkräften der alten Regimes, Konflikte zu ihren Gunsten zu entscheiden und damit den Status Quo zu zementieren, oft aber kommt es nach verlustreichen Kämpfen allerorten zu einem strategischen Patt. Klar ist dann, dass keine Seite einen militärischen Sieg erringen kann. Aber von dieser Erkenntnis bis zu einem Ende der Kriege ist es oft noch ein langer Weg, denn es gibt stets genügend Akteur*innen in Politik, Wirtschaft und Militär, für die sich die Kriege lohnen. Oft bedarf es internationalen Drucks und Vermittlung, um die Konfliktparteien zu ernsthaften Verhandlungen zu bewegen. Am Ende solcher langwierigen Konsultationen sollten ein Waffenstillstand und der Beginn eines Friedensprozesses stehen.
Doch Letzteres ist eine Herkulesaufgabe. Interne Kriege haben immer Ursachen – und die sind natürlich nicht überwunden, wenn sich die bewaffneten Akteure auf ein Friedensabkommen einigen. Zudem haben die kriegerischen Handlungen neue problematische Strukturen geschaffen und zu einer Militarisierung der Gesellschaften und des Denkens geführt.
1992 bzw. 1996 wurden die bewaffneten Konflikte in El Salvador und Guatemala durch international gefeierte Friedensvereinbarungen beendet. Damit endeten zwar die Kampfhandlungen zwischen Guerilla und Regierungstruppen, aber die Abkommen brachten keine grundlegenden politischen und wirtschaftlichen Reformen und vor allem kein Ende der Gewalt. In beiden Ländern ist die soziale Ungleichheit frappierend. Sowohl El Salvador als auch Guatemala gehören bis heute zu den gewalttätigsten Ländern der Welt. Erschossen zu werden ist dort – Jahrzehnte nach Ende der internen Kriege – noch immer die häufigste Todesursache bei unter 40-jährigen Männern. Gewalt gegen Frauen ist noch virulenter als in anderen Gesellschaften, bis hin zu unglaublichen Raten bei Feminiziden (Frauenmorden), die in aller Regel straflos bleiben. In El Salvador wird immerhin seit einigen Jahren gegen erhebliche Widerstände eine moderate Reformpolitik umgesetzt, die dazu geführt hat, dass sich die sozialen Indikatoren etwas verbessert haben.
So sind Friedensabkommen notwendig und begrüßenswert. Sie bedeuten aber nur einen allerersten Schritt, der einen Friedens- und Reformprozess allenfalls einleiten kann. Damit der dann tatsächlich erfolgreich verläuft, sind politischer Wille aller beteiligten Akteur*innen, permanenter internationaler Druck und finanzielle Unterstützung notwendig.
In Kolumbien ist seit dem 1. Dezember 2016 das Friedensabkommen zwischen der Regierung und der Guerillaorganisation FARC-EP in Kraft. In einem ersten Anlauf war es im Oktober 2016 in einem Referendum von einer hauchdünnen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt worden, wurde dann aber in abgespeckter Form vom Parlament angenommen. Seitdem hat der widersprüchlich verlaufende Prozess begonnen, die Vereinbarungen umzusetzen. Wichtige Punkte sind dabei die rechtliche Aufarbeitung der im Krieg begangenen Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen durch eine Sonderjustiz für den Frieden und damit zusammenhängend eine Anerkennung, umfassende Information und Entschädigung der Opfer sowie grundlegende soziale und wirtschaftliche Reformen, vor allem in der Landwirtschaft.
Die Umsetzung der Vereinbarungen kommt nur langsam voran, die politischen Rahmenbedingungen dafür haben sich in jüngster Zeit, vor allem durch den Wahlsieg des rechtskonservativen Präsidentschaftskandidaten Iván Duque und seines Centro Democrático, keinesfalls verbessert. Trotz dessen im Wahlkampf lautstark geäußerter Kritik an den Vereinbarungen mit der FARC-EP ist der Friedensprozess aber bislang nicht zum Stillstand gekommen, auch weil die sozialen Bewegungen in Kolumbien, die internationalen Vermittler*innen aus Cuba, Norwegen, Spanien und Uruguay sowie das Verfassungsgericht in Bogotá eine Umsetzung der Vereinbarungen verlangen.
Ob der Friedensprozess weitergehen und letztlich erfolgreich sein kann, wird entscheidend davon abhängen, ob Duques Regierung ernsthafte Anstrengungen unternimmt, die Gewalt gegen zivile Akteur*innen zu beenden. Seit Inkrafttreten der Friedensvereinbarungen wurden über 300 Mitglieder sozialer Bewegungen und Menschenrechtsgruppen, vor allem in den ländlichen Regionen, ermordet. Im selben Zeitraum wurden rund 60 FARC-Mitglieder umgebracht. Solange diese Gewalt nicht aufhört, ist Kolumbien von einem echten Frieden noch weit entfernt. Zudem steht ein Friedensabkommen mit der ELN, der zweiten großen Guerilla, überhaupt erst noch an.
Dieser Schwerpunkt der ila ist in Kooperation mit dem Instituto Colombo-Alemán para la Paz (CAPAZ) entstanden, dem wir an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit danken!