Geschafft! Wenn unsere Abonnent*innen diese Ausgabe in den Händen halten, ist es gelungen, trotz der Einschränkungen durch die Corona-Krise eine reguläre Ausgabe der ila herauszubringen. Vieles war diesmal anders: Die Kommunikation in der Endredaktionsphase und das Layout konnten nicht wie gewohnt in den Räumen der ila stattfinden, sondern musste durch unzählige E-Mails und Telefonate zwischen den Redaktionsmitgliedern, der Layoutgruppe und unseren Kooperationspartner*innen ersetzt werden. Die Verschickung machten nicht wie üblich fünf oder sechs Leute aus unserer Redaktion gemeinsam, sondern jeweils Zweiergruppen in einer Früh- und einer Spätschicht. Auch die Kolleg*innen unserer Druckerei, dem Druckladen in Bonn, arbeiten unter erschwerten Bedingungen. Aber auch sie haben ihre Arbeit – wie immer – zuverlässig und gut erledigt. Darauf können alle Beteiligten ruhig ein bisschen stolz sein. Und wir haben viel gelernt. Dazu gehört auch, dass uns klar wurde, dass trotz aller Möglichkeiten, die die digitale Kommunikation bietet, persönliche Treffen, gemeinsames Arbeiten an der Ausgabe, schnelle Absprachen, auch wenn es unter den Bedingungen des Redaktionsstresses dabei mal lauter werden kann, die Essensrunde an den Layouttagen und anderes mehr ganz schön wichtig für ein politisches Projekt wie die ila sind.
Natürlich haben wir in den letzten Wochen nicht nur versucht, technische Probleme der Zeitschriftenproduktion zu lösen, sondern auch politisch darüber diskutiert, was das alles für die Zukunft bedeutet und bedeuten kann, welche Gefahren, aber auch Perspektiven in den Entwicklungen liegen, die wir zur Zeit erleben. Sorgen wie die Frage, ob das Ganze ein Experimentierfeld für mehr Autoritarismus ist, sind sicher nicht unberechtigt, aber derzeit nur schwer zu diskutieren, weil alle Argumente für die eine oder andere Sichtweise nur auf Annahmen, Vermutungen und Ängsten beruhen. Erst wenn das Corona-Virus keine Bedrohung mehr für die Gesundheit und das Leben vieler Menschen darstellt, wird man wissen, welche der heutigen Einschränkungen richtig und sinnvoll waren, wo Entscheidungsträger*innen falsch lagen und welche Maßnahmen nur aus politischem Kalkül erfolgten. Dann wird über vieles zu diskutieren sein.
Sehr gelegen kam die Pandemie sicher so manchen autoritären Regierungen, die im letzten Jahr rund um den Globus mit Aufständen konfrontiert waren. In Chile zum Beispiel ist es erst mit dem Virus gelungen, nach fünf Monaten die Massenmobilisierungen zu stoppen. Nun ist dort wieder das Militär auf der Straße. Wir denken in diesen Tagen mit besonderer Sorge an unsere Freund*innen und Genoss*innen in Lateinamerika, die von dem Virus wegen prekärer finanzieller und sanitärer Lebensbedingungen besonders bedroht sind, und auch von der um sich greifenden Repression.
Auch über anderes sollte man gerade jetzt reden. Es mag ja für das eigene Wohlbefinden nett sein, wenn man sich zu einer bestimmten Uhrzeit ans Fenster oder auf den Balkon stellt, um den „Corona-Held*innen“, also den Beschäftigten im Gesundheitswesen, in den Geschäften und Supermärkten, den Zusteller*innen und vielen anderen (wobei die allermeisten dabei Frauen sind, was – auch im Hinblick auf psychische, körperliche und finanzielle Konsequenzen – kaum mitgedacht wird), zu applaudieren. Manch eine*r der Beklatschten wird sich auch darüber freuen, dass ihre Arbeit wenigstens einmal zur Kenntnis genommen wird.
Aber was bringt das? Wir fanden es toll, als wir von einem langjährigen ila-Leser mitten im Produktionsprozess eine Email mit dem Hinweis auf eine online-Kampagne unter dem Titel „Wann, wenn nicht jetzt“ für allgemeingültige Tarifverträge im Einzelhandel[fn]Die Petition steht auf der Site des Labournet, der direkte Link ist: www.labournet de/?p=164839[/fn], erhielten. Natürlich unterstützen wir das. Auch bei uns war bis dahin nicht allen klar, dass 64 Prozent der Handelsbeschäftigten ohne tarifvertragliche Bezahlung arbeiten. Diejenigen, die im Handel, der Logistik und dem Gesundheitswesen tätig sind, haben in den letzten Jahren erlebt, wie ihre Arbeit immer mehr verdichtet und damit stressiger und gesundheitsschädlicher wurde, und dass die Löhne oft kaum reichten, um den Lebensunterhalt, vor allem die steigenden Mieten, zu begleichen. Jetzt, wo die Arbeit dieser Kolleg*innen als „systemrelevant“ wahrgenommen wird, sollte auch über Arbeitsbedingungen und Tarifverträge geredet werden. Denn wenn die Krise wieder abflaut, werden warme Worte und Applaus für die Corona-Held*innen schnell wieder vergessen sein.
Aber zum Ende noch ein paar Worte zur vorliegenden ila. Der Schwerpunkt „Mais“, der diesmal nicht den ersten Teil der Ausgabe füllt, sondern in der Mitte eingeheftet ist, entstand als lange geplantes Kooperationsprojekt zwischen der ila und dem Projekt MAIZ. Dazu gibt es ein eigenes Editorial auf der zweiten Seite des Einhefters.
Der allgemeine Teil dieser Ausgabe beginnt mit einem kleinen Themenblock zu Corona bzw. Covid-19 in Lateinamerika und dann gibt es wie immer viele interessante Hintergrundberichte und Rezensionen aus Politik, sozialem Leben und Kultur in Lateinamerika.
Unseren Leser*innen und uns wünschen wir, dass wir gesund bleiben, uns nicht unterkriegen lassen und aus der aktuellen Situation das Beste machen! Und wir hoffen, dass auch im nächsten Monat eine ila erscheint!