„Gesundheit ist ein Menschenrecht“, so formuliert es die weltweite Gesundheitsbewegung Peoples‘ Health Movement. Da merkt man, dass arme Menschen sprechen. Hierzulande ist Gesundheit eher eine Pflicht. Sie ist ein Leitbild, dem es hinterherzuhetzen gilt, das aber trotz Nahrungsergänzungsmitteln, Schönheitsoperationen, Diäten nie erreicht wird.
In der Coronapandemie wurden die Unterschiede erneut richtig krass sichtbar. Obwohl eine Pandemie genau dadurch definiert ist, dass sie weltweit herrscht, wurde sie nicht weltweit bekämpft. Grenzschließungen waren das erste Mittel, als könnte man ein Virus aussperren. Es folgten heftige Debatten, dass von jedem denkbaren Impfstoff für alle in Deutschland ausreichend zur Verfügung stehen müsse. Sodann ging es um Drittimpfungen, lange bevor armen Ländern auch nur eine Minimalversorgung zur Verfügung stand.
Wir wissen nicht, wie viele Menschen am SARS-Cov-2-Virus gestorben sind, die unter gesunden Lebensbedingungen hätten überleben können. Was wir aber wissen, ist, dass gesunde Lebensbedingungen tatsächlich ein Menschenrecht sind, das jedoch den Armen der Welt systematisch verweigert wird. Dabei ist es aufgeschrieben und gültiges Völkerrecht. Der Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte formuliert in Artikel 11: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie an, einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung, sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Vertragsstaaten unternehmen geeignete Schritte, um die Verwirklichung dieses Rechts zu gewährleisten, und erkennen zu diesem Zweck die entscheidende Bedeutung einer internationalen, auf freier Zustimmung beruhenden Zusammenarbeit an.“ Und in Artikel 12,1 heißt es ausdrücklich: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit an.“ Lassen wir hier einmal beiseite, dass die Schreiber des Paktes (Frauen können nicht dabei gewesen sein) ein absolut patriarchales Weltbild hatten und das Recht des Mannes und seiner (!) Familie ausbuchstabierten. Oder auch nicht, denn dieses Recht wird martialisch verteidigt: Ein, wenn nicht sogar DER wichtigste Hebel, um lukra-tive Geschäfte abzusichern, dabei aber eben gesunde Lebensbedingungen zu verunmöglichen beziehungsweise zu verweigern, ist das Patentrecht. Durch dieses werden lebensrettende Medikamente und Impfstoffe verknappt und dadurch extrem verteuert. Um die Patente auf Covid-19-Impfstoffe wird so erbittert gestritten, weil mRNA schon vor mehr als einem Jahrzehnt mit öffentlichen Mitteln erforscht wurde, aber jetzt privat angeeignet als Plattformtechnologie neben Covid auch für andere Krankheiten wichtig werden könnte, zum Beispiel für relativ weit entwickelte Impfstoffe gegen Grippe und Lassa-Fieber, möglicherweise auch für Impfungen gegen HIV, Malaria oder Tuberkulose. Vor allem aber, darauf weist die BUKO-Pharmakampagne in ihrem neuesten Pharma-Brief hin, gehe es aus Sicht von Big Pharma um therapeutische Impfungen gegen Krebs, „und dahinter steht potenziell ein Milliardenmarkt“.

Gezielt gestreute Verschwörungserzählungen haben es geschafft, Verunsicherung und Skepsis gegen-über Impfungen in einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung zu verstärken – nicht nur in Deutsch-land, auch in Lateinamerika. Über den antisemitischen Urvater aller Impfgegner*innen haben Friedrich Engels und Karl Marx bereits 1877/78 in ihrer Schrift „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft“ alles gesagt. Ein weiterer Punkt, der die Skepsis genährt hat, ist die private Finanzierung von Impfkampagnen (durch etwa die Bill & Melinda Gates Stiftung). Aus unserer Position, die die massive Privatisierung der Gesundheitssysteme stets kritisiert hat, müssen gerade auch die Schattenseiten solcher privaten Initiativen beleuchtet werden.

Wie kann eine global gerechte Impfstofffreigabe vorangetrieben werden? Was steht dem entgegen und welche Positionen nehmen europäische Regierungen diesbezüglich ein?
Wir wollten nicht nur herausfinden, wie die Versorgung mit Impfstoffen verunmöglicht wurde, sondern auch, wie der Zugang zu Impfungen während der Covid-19-Pandemie in verschiedenen Ländern Lateinamerikas gelaufen ist: Wie hat die Bevölkerung Impfkampagnen angenommen?

Schließlich haben uns auch alternative Umgangsweisen mit der Covid-19-Pandemie interessiert. Einige Gemeinschaften, wie etwa die afro-indigenen Garífuna in Honduras, fanden ihren eigenen Umgang mit der Pandemie: strikte Abschottung und Rückgriff auf traditionelle Heilmethoden, was auch der ungenügenden Gesundheitsversorgung im Land geschuldet war.

Welche Wege auch immer beschritten werden, um Pandemien wie auch andere Krankheiten zu bekämpfen: Gesundheit kann keine gewinnbringende Ware sein. Eine Selbstverständlichkeit eigentlich, von der wir jedoch noch weit entfernt sind.