Die USA wollen unsere Investitionen im Irak bombardieren– Pfui!“ war wohl eines der besten Plakate auf der großen Antikriegs-Demo am 15. Februar in Berlin. Der lang vorbereitete Krieg ist jetzt Realität, und die US-Air-Force wirft nicht nur Bomben auf die deutschen Investitionen, sondern auch auf Menschen, Wohnhäuser, Infrastruktureinrichtungen, Regierungsgebäude, auf „weiche“ und strategische Kriegsziele. Schon nach zwei Wochen zeichnete sich ab, dass der Krieg nicht schnell über die Bühne zu bringen ist. Und dass nach dem Wegbomben des Diktators Saddam Hussein der Irak sich nicht automatisch in einen Hort der Demokratie und Menschenrechte verwandeln wird, wussten wir schon vorher. Nach so vielen Monaten medialem, ideologischem und sonstigem kriegsvorbereitenden Dauerbeschuss stellt sich ein dumpfes Gefühl ein. Nur eins ist sicher: Man kann nicht so viel essen, wie man kotzen will.
Erfreulicherweise reißen die weltweiten Proteste gegen den hegemonialen Feldzug nicht ab, viele junge Leute gehen zum ersten Mal auf die Straße, viele der Älteren seit längerer Zeit mal wieder. Dringend notwendig hierbei wäre allerdings eine deutlichere Benennung der deutschen Heuchelei mit ihrem angeblichen Friedenskurs, hinter dem handfeste eigene, auch imperiale Interessen stehen. Ebenso notwendig wäre eine deutliche Distanzierung von einem platten Antiamerikanismus, der Antisemiten aller Couleur zum gemeinsamen Demonstrieren einlädt: In mehreren Städten beteiligten sich Neonazis an Friedensdemos oder riefen zu eigenen Aktionen auf. Ohnmacht und Unentschlossenheit waren zu oft Reaktion auf diese unappetitlichen „Bündnispartner“. Bemerkenswert ist auch die deutsche Kriegsberichterstattung: Ein leichter Mollton in der Stimme ist ständiger Begleiter der betroffenen Kommentare, eine bestimmte Art von Anti-Imperialismus, die jahrzehntelang nur „linken Spinnern“ vorbehalten war, ist auf einmal en vogue.
Vor vier Jahren, als ein anderer Diktator weggebombt und einer anderen Region die Menschenrechte gebracht werden sollten, klang das alles ganz anders, und auch die heutigen Friedensbewegten blieben gebannt zu Hause vor der Glotze sitzen. Klar, beim Krieg gegen Jugoslawien war ja Deutschland in der Kriegsführung auch maßgeblich mit von der Partie. Das darf einfach nicht vergessen werden. Einige selbsternannte Strategie-Experten in Politik und Medien fordern denn auch ganz unumwunden, dass die Militärmacht Europa aufgebaut werden müsste, um die Amis in Zukunft in ihre Schranken verweisen zu können. Pazifismus hin oder her, der militaristische Diskurs, der Handlungsanweisungen für die Neue Weltordnung gibt, hat sich schon längst etabliert, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des permanenten kapitalistischen Krieges, unter dem besonders die Länder der Peripherie zu leiden haben.
„Die Musik bringt die Menschen zusammen, Waffen und ökonomische Interessen, die dahinter stehen, bringen sie gegeneinander auf. Musik, Tanz und Kunst waren schon immer Mittel, die Einheit und Verständnis für Unterschiedlichkeit schaffen, Konflikte lösen und die das Göttliche und Schöne im Menschlichen Wesen zeigen …“, drückte es etwas pathetisch das Manifest der „MusikerInnen gegen den Krieg“ im Jahr 2000 aus. Drei Jahre später schließen sich weltweit MusikerInnen und KünstlerInnen zusammen, um ihrem Protest gegen den nun manifest gewordenen Krieg Ausdruck zu verleihen. Spektakulär war die Rede des US-amerikanischen Dokumentarfilmers Michael Moore, dessen ätzend kritischer Film „Bowling for Columbine“ einen Oscar bekam, „Not in our name“ sagen Hollywood-SchauspielerInnen, Bekenntnisse auf T-Shirts sind wieder in, Antikriegssongs können von der Internetseite www.protest-records.com heruntergeladen werden, und so einige MusikerInnen und Bands engagieren sich bei Friedensaktionen.
Eigentlich wäre vor diesem Hintergrund ein Schwerpunkt zu „Pop und Politik“ oder so ähnlich angebracht gewesen, aber erstens planen wir unsere Schwerpunkte nicht immer parallel zum Weltgeschehen und zweitens bleibt stets zu fragen, wie wenig Substanz und wie viel Geschäftsinteresse hinter der revolutionären Pose stecken. „La Música“ ist stattdessen Thema des Monats. Wir wollen wichtige und weniger bekannte Künstlerinnen und die Bedingungen ihres Schaffens vorstellen. Musik und Talent sind natürlich geschlechtsneutral, aber der soziale Kontext, in dem Musik komponiert, produziert, mit Texten versehen und vermarktet wird, ist durchaus vom Geschlechterverhältnis durchdrungen. Dreißig Jahre nach der neuen Frauenbewegung ist Musik derjenige Kunstbereich, der am meisten männerdominiert ist und dessen bunte Pop-Bilder nach wie vor viel zu viel Platz für antiquierte Geschlechterstereotypen bieten. Die sattsam bekannten lateinamerikanischen Diven, wie Mercedes Sosa oder Celia Cruz z.B., haben wir dezent vernachlässigt, aber auch unabhängig davon erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Auch bei diesem Schwerpunkt konnte die ila auf Unterstützung von außen nicht verzichten. Ganz besonders möchten wir uns bei Bianca Ludewig, Macarena González und Claudia Valenzuela von Radio Sankt Paula aus Hamburg bedanken.