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In der ila-Redaktion laufen am letzten Layout-Tag zwei Mitarbeiter mit Pflastern auf der Stirn durch die Räume. Was ist passiert? Da beide vorbildliche Hausmänner sind, haben sie am Vorabend ihre Spülmaschinen ausgeräumt und dabei die Tücken und Kanten einer offenstehenden Küchenschranktür unterschätzt. Zumindest in einigen Enklaven am Rhein scheint die geschlechterspezifische Arbeitsteilung überwunden. Hier setzt sich das „starke Geschlecht“ mit Heroismus den Fallstricken des Haushalts aus, in dem ja, wie eine gern zitierte Statistik besagt, 90 Prozent aller Unfälle passieren.

So löblich das Engagement unserer Mitarbeiter auch ist, so darf es doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die klassische Arbeitseilung entlang der Geschlechterzugehörigkeit nach wie vor eines der Haupthindernisse für eine vollständige Gleichstellung ist. In Deutschland und in Lateinamerika. Das meint auch die Weltbank in ihrem jüngsten Bericht über „Herausforderungen und Chancen für die Geschlechtergleichheit in Lateinamerika und der Karibik.“ Mit Bedauern wird dort festgestellt, dass die relative Abwesenheit von Frauen auf dem Arbeitsmarkt Verluste für die Volkswirtschaften mit sich brächten, dass die Gewalt gegen Frauen hohe Folgekosten hätte oder dass wichtiges Humankapital durch die hohe Müttersterblichkeit und die abgebrochene Schulbildung von jungen Müttern verloren ginge. Trotz des ganzen ökonomistischen Lamentierens hält der Bericht wesentliche Punkte fest: Damit Frauen gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten, müssten die Männer endlich ran an die Windeln und an den Kochlöffel. Im Hinblick auf die fortwährende Gewalt gegen Frauen (eine Statistik der WHO von 2000 stellt für Lateinamerika fest, dass jede vierte Frau mindestens einmal physischer Gewalt ihres Partners ausgesetzt gewesen ist) empfiehlt die Weltbank, überkommene Rollenbilder in Schule und Erziehung zu bekämpfen. Sprich: Der Wahnsinn aller Machos, dass es recht und billig sei, der Alten zu zeigen, wer die Hosen anhat, wenn sie „schlampenhaftes“ Verhalten an den Tag legt.

Das alles ist nicht neu. Aber leider immer noch Fakt. Wir sind es ja auch leid, immer wieder über die „doppelte Unterdrückung“ der Frau zu jammern. Überhaupt – die Frau, wer soll das überhaupt sein? Spätestens seit Etablierung der Gender-Studies gerät doch jeder Artikel zu „Frauenthemen“ in den Verdacht, hemmungslos altbacken zu sein. Habt ihr immer noch nicht den Dekonstruktivismus gecheckt? Das Rumreiten auf der Kategorie „Frau“ schreibt doch das Rollenbild nur zusätzlich fest, so die Kritik aus akademischen und postfeministischen Kreisen. So richtig diese Kritik ist und so wichtig wir die Dekonstruktion von Rollenbildern finden (da stimmen wir also mit Weltbank und Gender-Studies überein), so übersieht sie doch, dass sich soziale Realitäten langsamer als Theorien verändern.

Diesen alltäglichen Realitäten von Frauen in Lateinamerika widmen wir unseren aktuellen Schwerpunkt. Dabei lassen wir die Frauen ausnahmslos selbst zu Wort kommen, in Interviews oder „Testimonios“ (Zeugnisberichten). Herausgekommen sind Portraits von Frauen, die in mancherlei Hinsicht Grenzerfahrungen gemacht haben. Viele von ihnen haben Gewalt und Diskriminierungen erlebt. Doch allen gemeinsam ist, dass sie sich den Unterdrückungsverhältnissen entgegenstellen und engagiert ihre jeweiligen Projekte oder Ziele verfolgen. Deutlich wird auch, dass zu den Ausschlusskriterien aufgrund der Geschlechterzugehörigkeit andere Hürden und Bürden hinzukommen, die oft sogar noch gravierender sind: die soziale Herkunft, das Leben auf dem Land, fehlende Bildungsmöglichkeiten oder rassistische Vorurteile.